Dänemark | Eldorado der Meerforellen
07 | 06 | 2022 ReisenText: Nils Anderson | Foto: Terkel Broe Christensen 06177
07 | 06 | 2022 Reisen
Text: Nils Anderson | Foto: Terkel Broe Christensen 0 6177

Dänemark | Eldorado der Meerforellen

Die dänische Insel Fünen gilt als beste Meerforellenregion überhaupt und zahlreiche Touristen aus halb Europa stellen hier den begehrten Fischen nach. Unser Redaktor Nils Anderson war eingeladen, vor Ort einen Augenschein zu nehmen.


Manchmal sind die spontanen Einfälle die wertvollsten. Beim Packen fürs Meerforellenfischen entscheide ich mich, nebst der 2,7er-Spinnrute noch eine kurze Wobblerrute mit leichterem Wurfgewicht einzupacken. Um es vorwegzunehmen: Die lange Rute und all die eigens für diesen Trip gekauften Weitwurf-Meerforellenköder habe ich an Fünens Küsten in dieser Woche nicht einmal gefischt …


Unmittelbar am Ufer

Am ersten Spot hat man vom Parkplatz aus einen guten Überblick; unter uns liegen kleine Büschel Blasentang im glasklaren Wasser, der Ostsee-Grund fällt flach ab. «Die Fische sind da, meistens keine 20 Meter vom Ufer entfernt», meint Omar und rät mir: «Nimm etwas Kleines.» Ich nehme einen Egliwobbler und schon beim fünften Wurf hab ich doch tatsächlich einen Nachläufer, kein Riese­ zwar, aber hey! 

In den folgenden paar Minuten krieg ich eine Einleitung ins Meerforellenfischen. Das Wichtigste dabei: Strecke machen. Nach jedem Wurf zwei drei Schritte weiter gehen und so die Fische suchen; und dabei zügig und aggressiv twitchen, denn Meerforellen sind schnell und neugierig. Aber sie sind auch scheu; man ist auf den Überraschungsmoment angewiesen. Entdecken sie den Köder, bevor sie den Fischer sehen, stehen die Chancen nicht schlecht. Umgekehrt ist es aussichtslos. Anders als ihre Verwandten in unseren Seen sind sie nicht unbedingt weit draussen im Freiwasser anzutreffen. Vielmehr bevorzugen sie das Kraut in unmittelbarer Ufernähe. Da können sie sich verstecken und vor allem sitzt auch ihre Nahrung hier. Das sind in erster Linie kleine Garnelen und Fischchen. Und noch etwas braucht es für den Fang einer Meerforelle: auflandigen Wind. Ist das Wasser spiegelglatt, wird das Unterfangen unmöglich. Ausser ganz im Dunkeln; aber das ist eine andere Geschichte. 

 Die Meerforelle ist nichts anderes als die Salzwasserversion unserer Bach- und Seeforellen. Im ufernahen Blasentang jagt sie ihre Nahrung.

Die Meerforelle ist nichts anderes als die Salzwasserversion unserer Bach- und Seeforellen. Im ufernahen Blasentang jagt sie ihre Nahrung.

Zusammen mit den Redaktionskollegen von den deutschen Magazinen «Fliegenfischen» und «Kutter und Küste» wurde ich von «Seatrout Fyn» auf die «Denmark Fishing Lodge» von Omar Gade eingeladen. «Seatrout Fyn» ist ein staatliches Projekt zur Förderung der Meerforellen(fischerei). Omar ist ein von der IGFA anerkannter Guide und gibt beim Fischen unmissverständliche Anweisungen. «Beweg dich», «Wirf dorthin und dann dort, und jetzt da! Very good!» Mit Johannes Radtke und Rainer Korn sind zwei richtige Meerforellenkoryphäen mit dabei, zudem versuchen noch mehrere Biologen von «Seatrout Fyn» ihr Glück mit der Rute. Der erste Ausflug endet trotzdem mit einer Ernüchterung für die Gruppe. Meine erste Meerforelle mit gut 40 Zentimetern bleibt der grösste Fisch des Tages, genommen hat sie den Wobbler keine fünf Meter vor der Steinpackung. Im Verbund mit zwei kleineren Fischen schiesst sie hervor. Ich lasse den Wobbler eine halbe Sekunde stehen – ihr Biss ist so entschlossen, dass ein Anhieb überhaupt nicht nötig ist …

Zurück in der Lodge wird auf meine erste Meerforelle angestossen und wir sind allesamt zuversichtlich, dass es eine gute Woche werden wird.

 Unterwegs an Fünens Küste: Wo die Blasentangbüschel eine Leopardenmusterung auf den Gewässergrund zeichnen, darf mit Meer­forellen gerechnet werden.

Unterwegs an Fünens Küste: Wo die Blasentangbüschel eine Leopardenmusterung auf den Gewässergrund zeichnen, darf mit Meer­forellen gerechnet werden.


Verblüffende Erfolgsformel

Die Insel Fünen ist mit 2984 Quadratkilometern unwesentlich grösser als der Kanton Tessin und die ganze Küste ist «eigentlich ein einziger Meerforellenspot». Rund um Fünen ist die Ostsee sehr flach, was es zum besten Meerforellengebiet weit und breit macht. Trotzdem ist der gute Meerforellenbestand nicht selbstverständlich. Damit er erhalten bleibt, betreibt die Organisation «Seatrout Fyn» ein Management auf drei Pfeilern: Revitalisierung, Aufzucht und Marketing. Dazu muss man wissen, dass das Meerforellenfischen in Dänemark eine grosse Sache ist: Der in drei Sprachen erhältliche Meerforellenführer, der die 117 besten Plätze in Fünen präsentiert, liegt in der dritten Auflage auf; insgesamt wurden bereits 70?000 (!) Stück verkauft. Und so trifft man in Fünen die Fischer auch entsprechend zahlreich an. Weshalb also Marketing, wenn doch an jedem Streifen Küste bereits einer sein Glück versucht? Diese Fischereitouristen generieren eine Wertschöpfung, die genug abwirft, um das Projekt von «Seatrout Fyn» zu finanzieren: 40 Prozent des Etats werden dabei für die Revitalisierung der Laichgewässer aufgewendet, 40 Prozent gehen in die Aufzucht und die restlichen 20 Prozent werden ins Marketing für den Fischereitourismus investiert. Daneben koordinieren die verantwortlichen Biologen auch noch die landesweite Reduktion der Kormorane und widmen sich anderweitig den dringend benötigten Ausgleichsflächen für die Biodiversität. Und tatsächlich schliesst sich so ein Kreis auf verblüffende Art und Weise: Je mehr auf Meerforellen gefischt wird, desto grösser stehen die Chancen auf ein gesundes Fortbestehen der Bestände. 

 Beim Fliegenfischen auf Meerforellen kommt nicht unbedingt der Streamer zum Einsatz: Kleine Garnelenimitate, knapp unter der Oberfläche geführt, sind oft erste Wahl.

Beim Fliegenfischen auf Meerforellen kommt nicht unbedingt der Streamer zum Einsatz: Kleine Garnelenimitate, knapp unter der Oberfläche geführt, sind oft erste Wahl.


Sauber und aufgeräumt

In Dänemark unterwegs zu sein, erinnert einen an die Behaglichkeit der Schweiz: Aufgeräumte, hübsche Häuser allerorten, kleine Dörfer, viel Landwirtschaft und das erstaunlichste: An der gesamten Küste ist kaum ein Stück Plastikmüll zu finden; einfach nur saubere Steine, Tang, Muscheln und ähnliche Dinge mehr. Wer wilde Natur und unberührte Landstriche sucht, ist hier also am richtigen Platz. 

Im Meer dominieren die Meerforellen, man kann es aber auch auf Plattfische und Hornhechte versuchen. Letztere erscheinen Ende April in grossen Schwärmen. Die Fischereisaison geht fast das gesamte Jahr über, die beste Zeit ist aber im Frühling und Spätherbst. Wichtig für den Erfolg ist nicht unbedingt die Jahreszeit, vielmehr sind es die Wetterbedingungen. Während unseres Besuchs waren sie nicht optimal, jeder Fisch musste hart erarbeitet werden, und trotzdem war am Ende jeder von uns zufrieden. Viele Spezialisten stellen der Meerforelle fast ausschliesslich mit der Fliege nach, doch gefangen werden können sie fast mit allen erdenklichen Ködern, man kann es also gut auf eigene Faust versuchen. Perfekt sowohl für gemütliche Fischerferien mit der Familie als auch fürs «Vollgasfischen» von frühmorgens bis spätabends. Terkel Broe Christensen, einer der leitenden Biologen des Projekts, erzählte mir augenzwinkernd: «Es gibt nur eine Regel beim Meerforellenfischen: Es gibt keine Regeln!»

 Meerforellenpremiere geglückt! Dieser Fisch hat mit 40 Zentimetern ziemlich genau die Durchschnitts­grösse erreicht. Trotzdem ist mit Fischen bis 60 Zentimeter jederzeit zu rechnen.

Meerforellenpremiere geglückt! Dieser Fisch hat mit 40 Zentimetern ziemlich genau die Durchschnitts­grösse erreicht. Trotzdem ist mit Fischen bis 60 Zentimeter jederzeit zu rechnen.


Fischer-Info

Für das Meerforellenfischen ist ein Patent erforderlich, welches bequem online bestellt werden kann: fisketegn.dk

Für Unterkünfte, Guidings und Tipps lohnt sich ein Besuch der Website: de.seatrout.dk

Die Denmark Fishing Lodge im Südwesten der Insel ist ganz auf Fischereitouristen spezialisiert: denmarkfishinglodge.de


Ein Projekt mit langem Atem

Das Meerforelleneldorado Fünen ist nicht einfach so entstanden, es ist das Resultat von mehr als 25 Jahren zielgerichteter Arbeit – für die Meerforelle, deren Lebens­bedingungen sowie für eine bessere Wasserqualität.

 Biologen des Projekts «Seatrout Fyn»  bei der Besichtigung eines möglichen Laichgewässers. Links im Bild der Biologe und Fotograf Terkel Broe Christensen.

Biologen des Projekts «Seatrout Fyn» bei der Besichtigung eines möglichen Laichgewässers. Links im Bild der Biologe und Fotograf Terkel Broe Christensen.

Vor 30 Jahren sah es für die fünische Meerforelle nicht gut aus. Die Umweltverschmutzung durch Städte, Industrie und Landwirtschaft hatte auf Fünen – wie im Übrigen in weiten Teilen Dänemarks auch – fast zum Aussterben der Meerforelle geführt. In den 1980er-Jahren jedoch wurden die Abwasserkläranlagen überall auf Fünen verbessert, und in der Landwirtschaft wurden Massnahmen zur Vermeidung des Auslaufens von Gülle und Dung in die Flussläufe getroffen. Das Ergebnis war eine weit bessere Wasserqualität als in den Jahren zuvor.

Trotz des reinen Wassers gab es immer noch grosse Probleme bei der Laichwanderung der Meerforellen. In fünischen Flüssen verhinderten insgesamt 220 Sperrren, wie z. B. Mühlendämme, Weidenbewässerungsanlagen usw., die Wanderung der Meerforellen flussaufwärts und stoppten somit oftmals den natürlichen Laichvorgang bereits einige Kilometer hinter der Flussmündung.

Aus diesem Grund rief der Kreis Fünen 1990 das Fünische Meerforellenprojekt ins Leben, dass durch zielgerichtetes Einsetzen von Fischbrut und verbesserte Bedingungen in den Flussläufen den Meer­forellen­bestand stärken sollte.

 

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