Der atlantische Lachs kämpft ums Überleben
25 | 03 | 2019 Reisen | DiversesText: John Stucki 05727
25 | 03 | 2019 Reisen | Diverses
Text: John Stucki 0 5727

Der atlantische Lachs kämpft ums Überleben

Es wurde im «Petri-Heil» schon viel über die Pazifik-Lachse an der Westküste von Kanada berichtet. Unser Gastautor John Stucki schildert die Situation der atlantischen Lachse an der Ostküste Kanadas.


Vor rund vierzig Jahren suchte der atlantische Lachs noch tapfer nach Laichplätzen in den starken Fliessgewässern des amerikanischen Bundesstaates Maine, namentlich im stolzen Penobscot River. Der unverwüstliche Fliegenfischer durfte damals noch auf sporadische Einzelfänge hoffen. Das ist Geschichte.

Schon Jahre vorher hiess es «Licht aus» in Neuenglands südlicheren Gefilden: In Connecticut, Massachussetts und New Hampshire musste der stolze Salmo salar schon viel früher vor den veränderten Umweltbedingungen kapitulieren.

Die kanadische Provinz New Brunswick, die im Südwesten an Maine grenzt, war in früheren Jahren das erklärte Ziel zumindest der nordost-amerikanischen Fliegenfischer. Das Miramichi-Flusssystem, geografisch relativ nahe, mauserte sich gar zum wahren Mekka. Lachsangler aus aller Welt, berühmte Sportler und Hollywood-Figuren warfen dort ihre bunten Lachs-Fliegen aus und verhalfen der Gegend, spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg, zu einem Platz auf der Landkarte.

Schon zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erzählten englische Sportangler vom legendären Lachsvorkommen im Einzugsgebiet des Miramichi. Und heute?
 

Kein Wasser – keine atlantischen Lachse

Die dem Sportangler vorgesetzten Erklärungsversuche von Seiten der Fischereibiologen seien hier kurz aufgelistet: 1. Der atlantische Lachs, der zum Laichen in die Küstenflüsse von Nordostkanada aufsteigen sollte, hat seine Futtergründe entlang den Ufern Grönlands. Grönlands Regierung – im Gegensatz zur kanadischen – erlaubt die kommerzielle Fischerei auf den atlantischen Lachs: Als Resultat davon landen tausende potenzieller Rückkehrer in den Netzen professioneller Fischer. 2. Die Seehunde setzen dem Junglachs arg zu. 3. Von Mitte Juni bis oft Mitte September herrscht akuter Wassermangel in den von Natur aus seichten Küstenflüssen. Sommertemperaturen von 35?°C und warmes Wasser sind keine Einladung für den fortpflanzungsbereiten Atlantik-Lachs. 4. Die von der Regierung erlaubte Reusen-Fischerei der lokalen Indianerstämme (First Nations = Miqmaq). Letzteren ist das Recht vorbehalten, die aufsteigenden Fische bereits in den Flussdeltas mittels Netzgehegen zu fangen und zur Eigenverwertung zu entnehmen.
 

 Für solche Fangfotos muss mittlerweile vieles zusammenpassen.

Für solche Fangfotos muss mittlerweile vieles zusammenpassen.

 Auch wenn die Welt hier noch in Ordnung scheint, ist die Fischerei in Ostkanada schwieriger geworden.

Auch wenn die Welt hier noch in Ordnung scheint, ist die Fischerei in Ostkanada schwieriger geworden.

 Ein stattlicher Atlantik-Lachs aus dem Miramichi-Flusssystem im Osten Kanadas. – © Steve Bly / Alamy Stock Photo

Ein stattlicher Atlantik-Lachs aus dem Miramichi-Flusssystem im Osten Kanadas. – © Steve Bly / Alamy Stock Photo

 
Im Miramichi Flussdelta macht seit einigen Jahren ein weiteres Phänomen von sich reden: Als wären der Hindernisse nicht genug, ziehen im Frühling tausende von laichwilligen Streifenbarschen (Striped Bass) flussaufwärts. Offensichtlich meidet der atlantische Lachs diese Konkurrenz, zumal der Barsch gegenüber den Junglachsen ein recht aggressives Verhalten zu Tage legt. Allerdings wird die Sportfischerei auf den durchaus valablen Streifenbarsch als Bereicherung angesehen und von den  Behörden auch sofort vermarktet – der Lachsfischerei ist sie aber alles andere als zuträglich.
 

Lichtblicke trotz allem

Ende Oktober, damals gerade auf der Elchjagd, freute ich mich über unerwarteten Besuch. Direkt unterhalb meiner Lodge geriet während der Dauer eines Tages alles in Bewegung. Der Lachs hatte sich schlussendlich, gutem Wasserstand sei Dank, doch noch entschlossen, in «meinem» Flussabschnitt Hochzeit zu feiern. Das schöne, ermutigende Spiel war gerademal während der Dauer von 24 Stunden zu beobachten. Im Gegensatz zu früheren Jahren, als der Atlantik-Lachs bereits während der Sommermonate in die Seitenflüsse aufstieg, um dort in den tieferen Gumpen bis zur Laichzeit zu verharren, scheint er nun den idealen Wasserstand abzuwarten, steigt dann in Kurzzeit in die Seitenarme auf und macht, nach Verrichtung des Laichgeschäfts, wieder rechtsumkehrt. Dass überhaupt abgelaicht wird, zeigt sich spätestens im darauffolgenden Jahr, wenn zahlreiche sich im Fluss tummelnde «Parrs» (Fingerlinge) gierig die Lachsfliege verfolgen. 
 

Ausweichmöglichkeiten

In New Brunswicks geheiligten Lachsgewässern, notabene dem weitgreifenden Miramichi Flusssystem sowie dem für Otto Normalverbraucher fast unerschwinglich teuer gewordenen Restigouche im Norden und einigen anderen, wird weiterhin fleissig dem Lachs nachgestellt. Dieses Privileg ist exklusiv dem Fliegenfischer vorbehalten, unter Einhaltung eines rigorosen «Catch-and-Release»-Verfahrens. Für auswärtige Fischer ist hier die Verpflichtung eines Guides Vorschrift.

Wer dem Glück etwas nachhelfen will, verschiebt sich in einer halben Tagesreise Richtung Norden in die Provinz Québec. Dort erwarten den Sportangler die Gin-klaren, schnellfliessenden Gewässer der Gaspésie: Matapedia, Patapedia, Bonaventure und was der klingenden Namen noch mehr sind.

Die Gesetzgebung in Québec verfolgt im Gegensatz zu New Brunswick (offenes Patentverfahren) ein Reservationssystem für die verschiedenen Flussabschnitte: Nur eine bestimmte Anzahl an Angelruten pro Tag sind erlaubt, was den Fischereidruck in Grenzen hält.
 

 Wer in Neu Brunswick einen Lachs fängt, muss diesen wieder schwimmen lassen.

Wer in Neu Brunswick einen Lachs fängt, muss diesen wieder schwimmen lassen.

 Vermehrte Konkurrenz: Der Striped Bass laicht erfolgreich in denselben Gewässern wie der Atlantik-Lachs. – © Bradley Burns

Vermehrte Konkurrenz: Der Striped Bass laicht erfolgreich in denselben Gewässern wie der Atlantik-Lachs. – © Bradley Burns

 
Fazit für den atlantischen Lachs

Letztes Jahr: Auf dem Weg zurück vom Flughafen in Montreal fahre ich die Nacht durch. Im Städtchen Causapscal (Québec) döse ich im Morgengrauen auf dem Vordersitz eine Stunde vor mich hin. Ein paar Fischer kommen dazu, ein wärmendes Feuer wird angefacht, eine Thermosflasche mit heissem Kaffee macht die Runde, Sprüche werden geklopft. Einer nach dem anderen steigen die Wader-bekleideten  Angler ins kalte Flussbett des Matapedia. Mitte Morgen versuche ich es mit einer Trockenfliege, einem orange-weissen «Bomber». Nach einer halben Stunde lacht mir das Glück: Ich lande eine 15-pfündige Henne, löse die widerhakenfreie Fliege vorsichtig und coache den Fisch langsam zurück in die Strömung. Solche Momente sind indessen eher selten geworden.

Gerade im Miramichi waren vor 15 Jahren Mehrfachfänge pro Tag üblich. In den letzten Jahren führten die Behörden (endlich!) eine «Catch-and-Release»-Verordnung ein. Richtigerweise werden damit die den Widerwärtigkeiten trotzenden Lachse geschützt. Indes: Unverständlich ist, dass die Winter-/Frühlingsfischerei auf die «Kelts» (Eröffnung am 15. April) immer noch geduldet wird.

Viele Lachsangler hoffen, dass die kanadische Regierung das Übel an den Wurzeln anpackt: Verhandlungen mit Grönland täten not, um dem atlantischen Lachs in Zukunft die Rückehr in seine Laichgründe wieder zu ermöglichen. Denkbar wäre auch ein Kompensationsabkommen mit den «First Nations». Denn: Der durch die Sportfischerei generierte Dollar wiegt schwerer als die Beute in den kommerziellen Fangnetzen.

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