12 | 12 | 2018 | Diverses | 0 | 4947 |
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Der vollkommene Angler
Es ist eines der erfolgreichsten Bücher seit der Erfindung des Buchdrucks. Izaak Waltons 1653 erstmals erschienener «The Compleat Angler: Or the Contemplative Man’s Recreation». In sagenhaften 600 Auflagen wurde dieses Buch schon gedruckt und damit einzig von der Bibel und Shakespeares Werken getoppt. «Petri-Heil» hat sich in diesen Klassiker eingelesen.
Der Angler ist bei Izaak Walton ein edler, tugendhafter Mann, der den Grossteil seines Lebens mit der Betrachtung der Natur zubringt. Er kennt keine Not und kann sich den beschaulichen und durchwegs angenehmen Seiten des Lebens widmen. Walton selbst war mit der Schwester eines Bischofs verheiratet und hatte zeitlebens ein Einkommen, das zum Lebensunterhalt reichte. Das «gemeine Volk» konnte damals weder schreiben noch lesen und sich auch kein ausschweifendes Nichtstun leisten, und so richtete sich sein Werk vor allem an die Männer der höheren Stände. Das Buch hatte wegen seiner Mischung aus fundierter Praxis, (teils abenteuerlichen) Ausflügen in die Naturgeschichte und der Schilderung eines einfachen, glücklichen Anglerlebens sehr grossen Erfolg und der Verfasser gilt als «Vater der Anglerliteratur».
Einfache Rahmenhandlung
Der historische Hintergrund ist alles andere als beschaulich. Der 30-jährige Krieg hatte grosse Teile Europas zerstört, die Bevölkerung brachte sich mehr schlecht als recht durch und religiöse Fronten durchzogen immer noch die Länder Europas. Umso grösser war die Sehnsucht nach einem Leben in kleinen, geordneten Bahnen. Die Rahmenhandlung ist einfach und bietet Platz für viele poetische Einschübe. Ein Angler, ein Jäger und ein Falkner treffen sich, und nach einer ausschweifenden Lobrede auf die Fischerei und das Leben draussen in der Natur im Allgemeinen lässt sich der Jäger in die Kunst des Angelns einführen. Über mehrere Tage zeigt nun der «alte Izaak» seinem Schüler die Kunst des Angelns. Bereits auf der Heimkehr des zweiten Tages treffen sie auf zwei Milchfrauen, die den erfolgreichen Anglern ein Ständchen singen (überhaupt wird immer wieder gesungen), worauf sie mit Fischen beschenkt werden. Die Frauen haben eine sehr hohe Meinung von Anglern, «da sie immer so ehrliche, höfliche und ruhige Männer sind.» Nach dieser gesellschaftlichen Einordnung der «Angelkunst» widmet sich der Rest des Buches mehrheitlich den Fischen und ihrem Fang.
Herausforderndes Buch
Izaak Walton hat wie damals nicht unüblich, bei Zeitgenossen und Vorgängern hemmungslos abgekupfert. Wo er nicht Bescheid wusste, verliess er sich ziemlich unkritisch auf die nächstbeste Quelle. So auch auf den Schweizer Universalgelehrten Conrad Gessner (der von der uralten 50er-Note), welcher unter anderem von drei Ellen langen Seeforellen aus dem Genfersee zu berichten wusste (Drei «kleine Ellen» entsprechen einem Meter und 50 Zentimeter ...).
Walton nahm es mit der Wahrheit überhaupt nicht genau und wird deswegen in Form von Anmerkungen späterer Herausgeber andauernd in Fussnoten und Ergänzungen korrigiert: «Nichts kann die Leichtgläubigkeit Waltons mehr beweisen als die lächerlichen Behauptungen über den Charakter der Flüsse und der in ihnen angeblich lebenden Tiere.»
Die deutsche Übersetzung der Fischnamen sind eine spannende und leider wenig aufschlussreiche Angelegenheit. So handelt ein Kapitel vom Fang des Rochens. Dass das Rotauge hinter diesem Namen stecken könnte, wird etwas klarer, wenn man dessen englischen Namen liest: «Roach». Doch findet sich nirgends sonst ein Beleg, dass im Deutschen dem Rotauge je Rochen gesagt wurde. Offen bleibt auch die Frage nach dem «Kaulbörs» und vor allem dem «Börs». Der naheliegende Schluss, dass es sich um Kaulbarsch und Barsch handelt, geht fehl. Der «Kaulbörs» muss gemäss Waltons Beschreibung der Alet sein, aber der Börs? Keine Ahnung …
Wundersame Geschichten
Neben der Schilderung des Fischotters als schon fast leibhaftigem Teufel bekommen insbesondere die Frösche ihr Fett weg. So schildert er die Geschichte eines Froschs, der sich einem Hecht auf den Kopf setzte und diesem die Augen ausfrass und ihn so schliesslich tötete. Auch dass die Karpfen in einem Teich von Fröschen gefressen worden seien, weiss er zu berichten. Solche hanebüchenen Geschichten finden sich immer wieder. So ist Walton auch der Überzeugung, dass der Hecht aus Unkraut entstehen könne, anders sei das Vorkommen von Hechten in abgelegenen Gewässern nicht zu erklären. Er behauptet auch, dass die Karpfen sechsmal pro Jahr laichen würden. Obwohl er immer wieder auf abwegige Behauptungen zurückgreift, zeigt sich dabei doch eine umfangreiche Belesenheit Waltons.
Praxistipps?
Die Praxistipps muss man sich aus den blumigen und stets wohlgelaunten Schilderungen herausschälen. Damals wurde ja vorwiegend mit langen Stippruten um die 12 bis 16 Fuss gefischt. Doch es findet sich auch schon eine Anleitung fürs aktive Spinnfischen mit langer Schnur (meistens Seidenschnur mit einem Darm-Vorfach). Dies geschah damals ähnlich wie man heute mit dem Streamer fischt. So strippte man die Köder einfach ein, liess die übrige Schnur vor sich am Boden kringeln und warf mit einer Schwingbewegung wieder aus.
Eine hervorragende Anleitung findet sich zum Platzieren des Hecht-Köders: «Sie können auch Ihre Schnur an die Flügel einer Gans oder Ente binden und diese übers Wasser jagen.» Wie man einen Wasservogel fängt und erfolgreich mit der Fracht belädt und was das dann noch mit beschaulichem Angeln zu tun hat, bleibt leider ein Geheimnis Waltons.
Neben dem Fischen mit Naturködern, über die Walton ein gut fundiertes Wissen hatte, sind auch die Fischrezepte eine Erwähnung wert. Die meisten dieser Rezepte nehmen massenhaft Zutaten und füllen damit die Fische, um sie dann ganz über dem Feuer zu braten oder in einem Topf mit Wasser zu kochen. Vom Fliegenfischen, welches damals schon erstaunlich weit entwickelt war, hatte Walton hingegen keine nennenswerten Kenntnisse. Dies zu beschreiben hatte sein Kollege Charles Cotton unternommen und einige Auflagen des «Vollkommenen Anglers» weisen einen ersten Walton-Teil gefolgt von einem Cotton-Teil auf. Von einigen Herausgebern wird im Buch auch betont, dass Walton grundsätzlich wenig Ahnung vom Angeln gehabt hätte und zum Beispiel den Forellenfang mit der Elritze nicht beherrschen würde. Zwar schildert er sehr detailreich (und entsprechend ermüdend) das Aromatisieren von Pasten und Lebendködern und viele andere Köderrezepte, aber «das Übrige muss man durch Übung lernen, denn ich habe keine Zeit, mich weiter darüber zu verbreiten.»
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