06 | 01 | 2025 | Schweiz | Diverses | 0 | 559 |
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Fischer schaffen Lebensraum:
Eine Idee, die bewegt!
Im Vorwort zum Praxisbuch «Fischer schaffen Lebensraum» schrieb der damalige SFV-Zentralpräsident Roberto Zanetti: «Fischerinnen und Fischer packen gern an – politisch und praktisch. Das beste Beispiel ist dieses Paradeprojekt.»
Roberto Zanetti erkannte rasch das grosse Potenzial des Themas für die Stärkung der Vereine und Verbände. Ihm war als Politprofi auch bewusst, wie stark die Bilder von Petrijüngern in Wathosen, die sich mit hochgekrempelten Ärmeln für den Gewässerschutz engagieren, wirken. Mit instinktsicherer Weitsicht unterstützte er das ambitionierte Projekt des Schaffhauser SFV-Vorstandsmitglieds Sämi Gründler.
Der grosse Frust
Den Initianten ging es bei ihrer Kampagne allerdings um weit mehr als Imagepflege. Sie bewegte der grosse Frust über den schlechten ökologischen Zustand vieler Schweizer Gewässer und die quälend langsamen Fortschritte bei den Sanierungen und Revitalisierungen, die eine zentrale Forderung der 2006 eingereichten Initiative «Lebendiges Wasser» gewesen waren.
Zur Erinnerung: Das Schweizer Gewässerschutzgesetz wurde 2011 überarbeitet und verschärft. Das war die Folge eines indirekten Gegenvorschlags, der politisch möglich wurde, weil die höchst erfolgreiche Unterschriftensammlung des SFV für die Volksinitiative «Lebendiges Wasser» (162'000 Unterschriften!) für grosse Unsicherheit sorgte im Bundeshaus. Die Revision gilt als Meilenstein im Schweizer Gewässerschutz und ist einer der grössten politischen Erfolge der organisierten Schweizer Fischerinnen und Fischer.
Ziele längst nicht erreicht
2011 wurden verbindliche Ziele formuliert: Von den 15'000 Kilometern Fliessgewässer «in schlechtem ökomorphologischem Zustand» sollen 4000 Kilometer bis ins Jahr 2090 revitalisiert werden, also durchschnittlich etwa 50 Kilometer pro Jahr. Aktuell sind noch nicht einmal 300 Kilometer realisiert. Vor allem Grossprojekte, wie die dringend nötigen Hochwasserschutzmassnahmen an Alpenrhein und Rhone sind blockiert. Für engagierte Gewässerschützerinnen und selbst für die geduldigsten Fischer ist die Situation extrem unbefriedigend.
Nicht jammern, machen!
Samuel Gründler, der Autor von «Fischer schaffen Lebensraum» (FsL) machte schon früh die Erfahrung, dass beherzte Aktivität psychisch gesünder und für die Sache wirksamer ist als Jammern. Die grosse Stärke und der Charme der FsL-Kampagne ist die Selbstermächtigung der Fischerinnen und Fischer. Sie macht bewusst, dass es viele Möglichkeiten gibt, etwas Positives für die Gewässer in der eigenen Region zu bewirken, ohne ohnmächtig auf die Umsetzung der grossen Projekte zu warten.
Die zündende Idee von FsL ist es, bewährte und nachvollziehbare Rezepte zu liefern, wie sich «die anderen 11'000 Kilometer», also kleine bis mittelgrosse Fliessgewässer von Vereinen oder Pachtgruppen wirkungsvoll aufwerten lassen, ohne Baumaschinen und jahrelange Genehmigungsverfahren.
2. Überarbeitete und ergänzte Auflage
Im neuen Handbuch zur SFV-Kampagne werden die Möglichkeiten zur Gewässeraufwertung mit einfachen Massnahmen aufgezeigt.
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Handbuch als Hit
Die Grundlage dafür ist das Handbuch «Fischer schaffen Lebensraum», von dem aufgrund der enormen Nachfrage bereits eine zweite Auflage nachgedruckt wurde.
Es ist wichtig, dass möglichst viele interessierte Menschen, nicht nur Anglerinnen und Angler, dieses Buch lesen, um ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, wie beeinträchtigt viele Gewässer sind und wie man ihnen relativ einfach helfen kann.
Es wäre verantwortungslos zu behaupten, dass es einfach oder leicht wäre, solche Projekte umzusetzen. Es braucht dafür viel Energie, Organisationstalent, Praxiswissen und Erfahrung! Dieses Know-how liefern die Workshops des SFV.
Beherzter Start bei den Bernern
Man darf ohne Übertreibung schreiben, dass das Projekt 2024 so richtig durchgestartet ist. Das hat massgeblich mit der neuen SFV-Mitarbeiterin Daniela Eichenberger zu tun.
Die erfahrene Aargauer Gewässerbiologin hat die Projektleitung der Kampagne «Fischer schaffen Lebensraum» übernommen und sie bekam auch die nötigen Ressourcen für ihre Mission. Ein erster Anlass mit 20 Teilnehmenden aus 13 Vereinen fand am 15. Juni 2024 in Spiez statt. Markus Schneider, Präsident des Bernisch Kantonalen Fischerei-Verbands (BKFV), hat das Thema als zukunftsträchtig erkannt und mit Christian Meier einen Gewässerökologen und Fischer mit dem nötigen Fachwissen in die Geschäftsleitung geholt. Das harmoniert gut mit der Strategie des Kantons Bern, der mit seinem Renaturierungsfonds entsprechende Projekte der Fischereivereine anregt und unterstützt.
An diesem Workshop ging es zunächst um Projektplanung und die gar nicht so komplizierten Wege, um die entscheidenden Bewilligungen zu bekommen. Am Nachmittag besuchte man zwei Bäche, die bereits von einem FsL-Kurs profitieren durften: den Dorfbach Wimmis und das Heustrich-Gräbli. Beat Rieder vom Berner Fischereiinspektorat lobte die Arbeiten und gab den Teilnehmenden wertvolles Feedback.
Am 17. August 2024 fand ein weiterer Workshop im Kandertal statt, wo der Fokus auf der praktischen Arbeit «im Bach» lag. Zweihundert Meter des Allmibächli wurden im Lauf des Tags von alten Betonelementen befreit und mit Wurzelstöcken und Lenkstrukturen wie Steinbuhnen und Raubäumen aufgewertet.
Weiter in Freiburg ...
Am 12. Oktober 2024 fand in Villaz St. Pierre ein klassischer Workshop statt, den Maxime Prevedello zusammen mit dem Freiburger Fischereiverband und dem Club Sportif de pêche Fribourg organisierte. Am Morgen erklärte Vanina Heinrich vom Freiburger Amt für Wald und Natur die vielfältigen positiven Auswirkungen von Totholz in Fliessgewässern anhand von Erfahrungen an einem vom Kanton aufgewerteten Abschnitt der Glâne. Am Nachmittag wurden von 18 Teilnehmenden, notabene gut die Hälfte davon aus dem französischen Jura, in einem Glâne-Abschnitt Buhnen, Raubäume und Faschinen gebaut.
… und im Aargau
Am 19. Oktober 2024 ging es weiter an der Uerke, einem 17 Kilometer langen Bach, der via die Suhre in die Aare fliesst. Im Kanton Aargau gibt es auf Basis des Projekts FsL ein Gemeinschaftsprojekt von SFV, Aargauer Kantonalverband und WWF Aargau, mit der Idee, wertvolle Gewässeraufwertungen im Rahmen von Vereins- und Freiwilligenarbeit zu realisieren.
Gastgeber war der Verein «Sportfischer Respect» aus Möriken. Auf 200 Metern Fliessstrecke arbeiteten 30 Teilnehmer von acht Vereinen und dem WWF Aargau an vielfältigen Aufwertungsmassnahmen mit Steinen und Holz, die nächstes Jahr ergänzt werden.
Frohes Fazit
Als Daniela Eichenberger ihren neuen Job antrat, wusste sie nicht, was sie erwarten würde. Nach dem ersten Jahr draussen bei den Vereinen ist sie begeistert: «So viele fröhliche Gesichter, so viel Energie und Freude am Machen habe ich ehrlich gesagt nicht erwartet!»
Sie war auch überrascht, wie eindrücklich die Veränderungen sind, die man im Lauf eines Tags erreichen kann: «Ich staune, wie viel man mit engagierten Leuten in nur einem Tag schaffen kann. Vorausgesetzt die Aktion ist gut vorbereitet …»
Die kantonalen Fischereibehörden Aargau, Bern und Solothurn haben in enger Zusammenarbeit mit ihren Kantonalverbänden und den Vereinen ein strukturiertes Vorgehen entwickelt, das Gewässeraufwertungen im Sinn von FsL deutlich vereinfacht. Vor allem der Solothurner Kantonalverband hat in dieser Hinsicht mit diversen bereits realisierten Projekten Pionierarbeit geleistet.
Dank der Zusammenarbeit des SFV mit dem Energieunternehmen Stiebel Eltron wird es auch 2025 möglich sein, in Kantonen, die organisatorisch noch nicht soweit sind, vielversprechende Renaturierungsprojekte zu ermöglichen.
«Ihr könnt nur gewinnen!»
Die Essenz aus ihrem ersten Jahr ist für Daniela Eichenberger die Erfahrung, wie wertvoll das gemeinsame Erlebnis ist: «Die Workshops und vor allem die gemeinsame Arbeit am Wasser und für die Fische stärken den Zusammenhalt! Selbst Mitglieder, die sonst nicht so begeistert von Vereinsaktivitäten sind, machen motiviert mit. Ich stehe nach diesem Jahr gerne hin und behaupte, dass die Vereine, die bisher mitmachen, alle profitieren. Die gemeinsamen Gewässeraufwertungen sind tolle Vereinsanlässe und machen den Verein vielleicht auch attraktiv für neue Mitglieder.»
Es geht den Fischen besser
Mehr und besserer Lebensraum bedeutet in der Regel auch mehr Fische und diese Fische sind dank mehr Lebensraum in Zukunft auch besser gegen Hochwasser, Hitzeperioden und andere Unglücke gewappnet. Dass man es ein Stück weit selbst in der Hand hat, den Fischen zu helfen, schafft wertvolles Selbstvertrauen. Nochmals Daniela Eichenberger: «Es braucht heute den Einsatz der Fischerinnen mehr denn je! Ihr kennt Eure Gewässer, Ihr wisst was fehlt und nötig ist. So viele Gewässerkilometer sind noch immer in ungenügendem Zustand – packen wir es zusammen an!»
So macht auch Dein Verein mit!
Alle SFV-Mitglieder können sich anmelden! Ob Vereine oder Kantonalverbände, ja sogar Einzelpersonen, die beispielsweise an ihrem Pachtgewässer oder in ihrer Gemeinde etwas für die Fische bewegen möchten. Es ist immer sinnvoll und wünschenswert, den Kantonalverband mit im Boot zu haben. Aber falls das aus guten Gründen nicht möglich ist, finden sich Wege, wie sich gute Projekte umsetzen lassen.
Geeignete Gewässer
Für Workshops eignen sich gut zugängliche und einfach begehbare Strecken. Für die fischereiliche Motivation macht es Sinn, Zuflüsse mit guter Anbindung an ein grosses Gewässer zu wählen. Ideal ist es, wenn rund 20 bis 30 Personen gemeinsam am und im Gewässer arbeiten können. Ein klarer Vorteil ist auch ein geeignetes Kurslokal in der Nähe, sei es eine grosse Scheune, ein Kirchgemeindehaus oder ein Restaurant. Im Sommerhalbjahr ist auch das Aufstellen eines Zeltes denkbar. Das Prozedere ist einfach: Alle Interessierten melden sich bei Daniela Eichenberger unter [email protected] oder unter der Nummer 031 330 28 04 (jeweils dienstags und donnerstags).
Das gute Bündner Beispiel
Radi Hofstetter, der Präsident des Kantonalen Fischereiverbands Graubünden KFVGR, liefert mit seiner Weihnachtsaktion eine famose Geschenkidee, die sich zur Nachahmung empfiehlt. Der KFVGR hat 70 Exemplare von «Fischer schaffen Lebensraum» erworben und legt sie nicht nur allen Präsidenten seiner Mitgliedervereine unter den Tannenbaum, sondern auch diversen Mitarbeitenden in den kantonalen Ämtern, die mit der Aufwertung oder dem Unterhalt der Fischgewässer betraut sind. Wer einzelne Exemplare als Geschenke oder zur eigenen Weiterbildung bestellen möchte, erhält diese auf dem Online-Shop des SFV.
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