25 | 02 | 2021 | Schweiz | 4 | 13584 |
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Giftige Fluorverbindungen – nicht nur im Skiwachs
Für den Fischrückgang in den Engadiner Seen werden seit einiger Zeit giftige Fluorverbindungen (mit-)verantwortlich gemacht, die vor allem über den Skiwachs der Langläufer ins Gewässer gelangen. Wie die Zeitschrift «Beobachter» berichtet, sind sie langlebige Gifte und viel verbreiteter als angenommen.
PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) sind besonders langlebige chemische Verbindungen, die seit Jahrzehnten in einer Vielzahl von Produkten zur Anwendung kommen. Diese Kohlenstoffketten mit Fluoratomen gehören zu den stabilsten chemischen Verbindungen, die der Mensch erfunden hat. PFAS sind schmutz-, wasser- und fettabweisend und werden erst bei 1000 Grad Celsius zerstört, entsprechend beliebt sind sie in der Industrie. So findet man sie in Feuerlöschschäumen, Outdoor-Kleidern, Zahnseide, Schmiermitteln und eben auch im Skiwachs. Einmal in der Umwelt, bauen sie sich kaum je wieder ab, verteilen sich mit Wind und Wasser fast überall hin und reichern sich in den Organismen an. Je höher die Tiere in der Nahrungskette stehen und je älter sie werden, desto stärker ist folglich auch die Konzentration an Fluorverbindungen. Wenig verwunderlich also, dass sie sich in unseren Körpern am stärksten ansammeln. Nun sind nicht wenige dieser Verbindungen giftig, es wird vermutet, dass PFAS für erhöhtes Cholesterol, negative Effekte in der Schilddrüse, verringertes Geburtsgewicht von Babys und eine erhöhte Krebswahrscheinlichkeit verantwortlich sind. PFOA (Perfluoroctansäure) und PFOS (Perfluoroctansulfonsäure) sind die beiden bekanntesten und gefährlichsten Fluorverbindungen, erstere wird beim Skiwachs eingesetzt.
Silsersee besonders betroffen
Bei den Fischen reichern sich diese Verbindungen vorwiegend in der Leber und in den Geschlechtsorganen an. Um herauszufinden, inwiefern die Fluorverbindungen für den Fischrückgang in den Engadiner Seen verantwortlich sind, wurden die Innereien von hundert Fischen im Labor analysiert. Als Referenz zu den Engadiner Seen wurden drei Proben aus dem Lago Bianco am Berninapass mitgetestet, da dieser nicht durch Skisport beeinflusst wird. Bei den Proben aus den Engadiner Seen wurden in mehr als einem Viertel der Innereien PFOA-Belastungen nachgewiesen, bei den Proben aus dem Silsersee, wo jeweils der Skimarathon startet, war es beinahe jede zweite. Äschen weisen besonders hohe Konzentrationen auf, kleinere und mittlere Forellen zeigen tendenziell eher tiefere Werte.
Die Farbe zeigt die Höhe der Belastung der getesteten Innereien durch PFOA. (Quelle: Bündner Fischer)
Verdacht scheint sich zu erhärten
Schaue man sich die gefundenen Verbindungen an, «erscheint die Ursache Skiwachs klar gegeben», wie Alexandra Fröhlich vom KFVGR in der neusten Ausgabe des «Bündner Fischer» schreibt. So lasse sich anhand der Verbindungen zeigen, dass diese nicht etwa von Outdoor-Kleidung oder Schuhimprägnierungen stammen. Ebenfalls zeigt sich, dass ältere Tiere einen höheren Belastungswert aufweisen. Nicht bewiesen ist damit, dass PFOA direkt für den Fischrückgang verantwortlich ist. Trotzdem scheint bezüglich PFOA langsam ein Umdenken stattzufinden. So darf bei offiziellen Rennen kein Skiwachs mit PFOA mehr verwendet werden, für alle Amateure hingegen ist er noch immer verfügbar, da sich die Politik auch hier gegen ein grundsätzliches Verbot sträubt. Da Langlauf hierzulande als Breitensport bezeichnet werden darf, sind dies vorerst mal keine guten Nachrichten.
PFAS ganz verbieten?
Die fluorhaltigen Verbindungen sind in einigen Einsatzbereichen nach wie vor unverzichtbar, etwa bei Computerchips oder bei Gelenkbuchsen im Autobau. Nun wollen mehrere europäische Länder den Einsatz der PFAS grundsätzlich verbieten und nur noch Ausnahmegenehmigungen erteilen, was – wenig erstaunlich – vom Schweizer Chemie- und Pharmaverband abgelehnt wird. Ganz anders sieht dies der «Verein Ärztinnen und Ärzte für Umweltschutz»: «Diese Substanzen muss man sofort aus dem Verkehr ziehen. (…) Sie sind so problematisch und gefährlich für Menschen und Tiere, dass das längst hätte passieren sollen», wie deren Geschäftsleiter Martin Forter dem «Beobachter» zu Protokoll gibt.
4 Kommentare
Antworten an: Martin
Langläufer | 11 | 03 | 2022 |
Gibt es schon und schon seit je, ist aber halt langsamer.
Daher wirkt nur ein Verbot und Kontrollen bei Rennen.
Aber es gibt halt auch wenig Einsichtige, welche die Umsetzbarkeit infrage stellen: https://www.derbund.ch/sport/die-langlaufwelt-steht-kopf-ausloeser-ist-gian-franco-kasper/story/13994898
Gut, dass dies endlich untersucht wurde: Bislang war nich klar, ob die Mengen, die in der Natur vorkommen, überhaupt eine schädliche Konzentration haben können. Dies scheint nun offensichtlich bewiesen worden zu sein.
Wichtig ist aber dennoch nach verschiedenen Fluorverbindungen zu unterscheiden. Nicht alle sind gleich schädlich und nicht alle bauen sich gleich schlecht ab.
Erich Brönnimann | 20 | 03 | 2022 |
Die Frage, die Martin stellt, gilt auch für Feuerlöschmittel. Es gibt moderne Feuerlöschmittel ohne giftige Zusatz-stoffe, leicht abbaubar. Trotzdem werden immer noch fluorhaltige (PFOS) Mittel verwendet, die zudem seit 2018 auch für die Feuerwehr verboten sind. Warum wechselt man nicht einfach?
Edi Buchmeier | 10 | 03 | 2024 |
PFOA will man nicht verbieten, weil man damit Geld verdient. Und solange man über PFOA spricht, denkt man nicht über andere Umweltsünden. Wenn es der Skiverband mit der Umwelt Ernst nähme, müsste man Kunststoffskis verbieten, dieser Plastik landet letztendlich im Meer...
Martin
Also wenn es Skiwachs gibt, wo diese Wirkstoffe nicht enthalten sind, sollte es doch keine grosse Sache sein, dies umzurüsten bzw. nur noch Skiwachs ohne PFOA in den Geschäften anzubieten. Wieso macht man das nicht einfach?