La Réunion [– Exotisches Europa in Übersee]
19 | 02 | 2018 Video | ReisenText & Fotos: Bernhard Stegmayer 05550
19 | 02 | 2018 Video | Reisen
Text & Fotos: Bernhard Stegmayer 0 5550

La Réunion – Exotisches Europa in Übersee

Politisch gehört La Réunion zu den französischen Überseeregionen und damit zur EU. Die Vulkaninsel liegt zwischen Madagaskar und Mauritius im Indischen Ozean. Dank ihren geologischen, ökologischen, klimatischen, multikulturellen, kulinarischen – und besonders wichtig – fischereilichen Besonderheiten wird die «Insel der Zusammenkunft» vermehrt als attraktive Feriendestination entdeckt.


Man spricht auf La Réunion Französisch, genauer gesagt eine auf dem Französischen basierende Kreolsprache. Sich mit der Bevölkerung, die ursprünglich aus Frankreich, Madagaskar, Ostafrika, Indien und China stammt, auf Englisch zu verständigen ist eher schwierig. Wohl einer der Gründe, weshalb La Réunion für den internationalen Tourismus etwas im Schatten von Mauritius steht.
Die unterschiedliche Herkunft der Inselbewohner widerspiegelt sich auf den vielen Märkten. Sie sind farbenfroh und offerieren ein reichhaltiges Angebot an Früchten, wie frische Ananas und Kokosmilch, bunten Kleidern, kreativen Handarbeiten aus Stoffen und Leder und überall Bourbon Vanille. Nicht umsonst wurde die Insel einst «Île Bourbon» genannt.
Geologisch prägt der «Piton des Neiges» mit seinen 3070 m und der immer noch aktive Vulkan «Piton de la Fournaise» 2632 m die rund 50 km breite und 70 km lange Insel. Wanderwege führen durch feuchte Urwälder und karge Vulkan-Regionen. Immer wieder gibt es kleinere Eruptionen, die allerdings relativ ungefährlich und vorhersehbar sind. Deshalb nennen die Inselbewohner dieses Schauspiel «le volcan pètes» (der Vulkan furzt).
Das Klima ist tropisch-sommerfeucht mit einer teils heftigen Regenzeit von Dezember bis März. Die Durchschnittstemperatur liegt bei 27 °C und die Wassertemperatur bei 25 °C. Palmen und lange Strände, die sich meist hinter einem vorgelagerten Saumriff befinden, laden zum Baden ein. La Réunion hat eine reichhaltige und bunte Unterwasserwelt. Dazu gehören auch Haie. In den letzten Jahren gab es relativ viele tödliche Angriffe von Tiger- und Bullenhaien, vor allem auf Surfer. Als Tourist staunt man über waghalsige Taucher, die neben den Warntafeln ins Wasser stiegen. Darauf angesprochen meinten sie, dass Haie nicht gerne «Gummifische» hätten. Hält man sich an die Verbotsschilder, kann man bedenkenlos schnorcheln und dabei eine vielfältige Unterwasserwelt erleben.


Fischen omnipräsent

Man merkt schnell, dass die Fischerei hier Teil des Lebens ist. Viele Einheimische fangen mit einfachen Ruten in den Häfen ihren Tagesbedarf, zumeist kleine Fische. Fangboote stellen den Grossen wie Tuna, Goldmakrele und Marlin nach. Hauptsaison für den Marlin ist allerdings von November bis März, die wir knapp verpassten. So konzentrierten wir uns auf den Gelbflossenthun. Dass dieser allerdings nicht immer einfach zu fangen ist, erfuhren wir bei unserem ersten Bootstrip mit Maevasion, einem professionellen «Pêche au Gros»-Anbieter.
Viereinhalb Stunden schleppten und poppten wir diverse Kunstköder über das tiefblaue Wasser. Unser Skipper hielt ständig Ausschau nach jagenden Thunfischen, umkreiste die DCP-Markierungen (Dispositif de concentration de poisson), steuerte die GPS-Stellen an, wo bereits Fische gefangen wurden, zudem wurde angefüttert. Endlich ein Biss und der erste Thunfisch kam ins Boot. Mit seinen 5,6 Pfund hatte er eher die Köderfischgrösse für Marlin. Kurze Zeit später konnte ein Franzose nach einem schönen Drill einen Wahoo mit 13,6 Pfund landen. Die restlichen Stunden brachten keinen Erfolg. Mit den Worten: «This is not so normal – you come again?» offerierte uns der Chef von Maevision, Philippe Poisson (er heisst wirklich so), einen zweiten Trip.


Fischen zum Zweiten

Diesmal hatten wir stärkeren Wellengang. Wieder fuhren wir etwa 15 km hinaus. Bei neun Knoten Geschwindigkeit spritzten unsere künstlichen Tintenfische über die Wellen. Per Los wurde entschieden, dass ich den ersten Fisch drillen durfte. Diesmal entdeckten wir springende Tunas, was Grund zur Hoffnung gab. Als nach zwei Stunden dann der erste Fisch hing, durfte ich die sagenhafte Kampfkraft eines Thunfischs zum ersten Mal erleben. Im Unterschied zum Marlin flüchten diese Fische in die Tiefe. Meter um Meter geht das monofile Seilziehen hin und her, bzw. rauf und runter. Ein toller Moment, als der Fisch nach oben kam und seine blau-grün-gelbe Flanke zeigte. Mit 56 Pfund kein Riese, aber ganz ordentlich. Eine halbe Stunde später surrte die Bremse erneut. Jetzt war unser belgischer Kollege an der Reihe. Anscheinend hatten wir einen Schwarm gefunden, denn beim Einholen der zweiten Rute biss dann gleich ein weiterer: Doppeldrill!
Plötzlich Aufregung im mehrsprachigen Team: Requin, Shark, Hai! Ein knapp zwei Meter langer Weissspitzen-Hai umkreiste das Boot. Noch heftigere Fluchten und Schläge in den Ruten erfolgten. Wir lösten uns beim Drill ab, denn solche Kraftakte waren unsere Süsswasser-Fischerarme nicht gewohnt. Erstaunlich war, dass die beiden gehakten Fische zum Schluss nochmals ungeheure Kräfte entwickelten und ruckartig Schnur von der Rolle rissen. Erst als die 76- und 72-pfündigen Torpedos im Boot lagen, konnten wir uns das dramatische Unterwasserschauspiel zusammenreimen: Der Hai hatte die gehakten Thunfische attackiert. Davon zeugten die Bissspuren durch rasiermesserscharfe Zähne. Bevor wir zurücksteuerten, konnten wir noch zwei weitere Tunas an Bord hieven.

 Rute, Schnur, Popper, Haken – alles in XXL. In diesem Gewässer darf man mit Grossen rechnen.

Rute, Schnur, Popper, Haken – alles in XXL. In diesem Gewässer darf man mit Grossen rechnen.

 Henry, der älteste Teilnehmer, hatte bereits Erfahrung, kam aber wie wir alle ordentlich ins Schwitzen.

Henry, der älteste Teilnehmer, hatte bereits Erfahrung, kam aber wie wir alle ordentlich ins Schwitzen.

 Der Autor mit seinem ersten Gelbflossen-Thun. Der nachfolgende Muskelkater in den Oberarmen resultierte allerdings vom Drill, nicht vom Fangfoto.

Der Autor mit seinem ersten Gelbflossen-Thun. Der nachfolgende Muskelkater in den Oberarmen resultierte allerdings vom Drill, nicht vom Fangfoto.

 7. Prosit Neujahr. Eigentlich sind diese wasserdurchfluteten Öffnungen an der Reling zur Kühlung von Champagner gedacht.

7. Prosit Neujahr. Eigentlich sind diese wasserdurchfluteten Öffnungen an der Reling zur Kühlung von Champagner gedacht.

 Der Weissspitzen-Hochseehai, begleitet von Pilotfischen, hat den Braten gerochen.

Der Weissspitzen-Hochseehai, begleitet von Pilotfischen, hat den Braten gerochen.

 Der zweite Trip war ergiebiger. Fünf Gelbflossen-Thun­fische mit einem Gesamtgewicht von 283 Pfund. Einen ordentlichen Aperitif schnappte sich der Weiss­spitzen-Hochseehai.

Der zweite Trip war ergiebiger. Fünf Gelbflossen-Thun­fische mit einem Gesamtgewicht von 283 Pfund. Einen ordentlichen Aperitif schnappte sich der Weiss­spitzen-Hochseehai.

 Einheimische wissen wie und wo man fängt. Mit einfachem Equipment, teils nur mit einer Bambusrute und Schnur, sind Meeresfische fester Bestandteil ihres Speiseplans.

Einheimische wissen wie und wo man fängt. Mit einfachem Equipment, teils nur mit einer Bambusrute und Schnur, sind Meeresfische fester Bestandteil ihres Speiseplans.

 Im Hintergrund der Piton de la Fournaise (2632 m) mit erkalteten Lavaströmen. 2015 floss ein Strom bis zum Meer.

Im Hintergrund der Piton de la Fournaise (2632 m) mit erkalteten Lavaströmen. 2015 floss ein Strom bis zum Meer.

 Die Angel im Zentrum. Was will man mehr - träumen darf man ...

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Warmes Blut für kaltes Wasser

Thunfische besitzen keine oder nur eine kleine Schwimmblase und sind deshalb ständig unterwegs. Wenn es pressiert, erreichen sie locker über 80 km/h. Eine weitere Besonderheit der Thunfische ist ihr spezielles Blutsystem, das wie ein Wärmetauscher funktioniert. Sie können ihre Körpertemperatur gegenüber ihrer Umgebungstemperatur um bis zu 12 °C erhöhen. Dadurch werden ihre Muskeln leistungsfähiger und die Jagd in kalten Tiefen bis 1000 m möglich. Dies erklärt auch die enorme Schnelligkeit und Kampfkraft, die Tunas im Drill freisetzen können.


Blau, rot, gelb, weiss

Der Blauflossen-Thunfisch, auch Roter Thunfisch genannt wegen seines Fleischs, ist die grösste Art. Exemplare bis 600 kg sind zwar eine Ausnahme, aber möglich. Der Gelbflossen-Thunfisch wird bis 200 kg schwer und bis zu 2,2 m lang. Der weisse Thunfisch ist ein kleinerer Vertreter, bis 1 m Länge.
Wegen ihres delikaten Fleischs gehören Tunas zu den begehrtesten Speisefischen. Einige Arten sind allerdings durch die Fischindustrie überfischt und stark gefährdet, wie z. B. der Blauflossen-Thunfisch. Wer Thunfisch kauft, sollte zumindest auf die Label wie MSC, Dolphin-friendly oder Safe achten. Auch wenn diese Labels noch lange nicht alle Kriterien für eine nachhaltige Fischerei erfüllen, ist es im Moment die zweitbeste Wahl. Die beste ist, wenn man den Fisch mit der Rute selbst fängt.
Wer europäischen Komfort sucht, Impfungen lieber umgeht und dennoch gerne exotische Ferien erleben will, findet auf La Réunion ein überschaubares Inselparadies und eine interessante Fischerei.

 

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