30 | 11 | 2022 | Schweiz | Praxis | 0 | 13109 |
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Schweizer Egligewässer | Der grosse Überblick
Der in der Schweiz am häufigsten gelandete Raubfisch ist der Egli. In nahezu allen Seen und Flüssen des Mittellands sind die gestreiften Räuber zuhause. «Petri-Heil» geht den Egligewässern auf den Grund.
Was ein «gutes Egligewässer» ist, wird unterschiedlich aufgefasst. Für die meisten Fischer dürfte die Häufigkeit der Küchen-Egli (so ab 20 Zentimeter) ausschlaggebend sein. Die Bestmarken-Jäger hingegen orientieren sich eher am Vorkommen der grossen Rehlig oder zu (Instagram-) Neudeutsch «Kirschen». Für uns Angelfischer ist die Grösse der Eglipopulationen ohnehin nicht das einzig entscheidende Mass. Da gibt es die grossen Bestände, deren riesige Schwärme wenig Interesse an präsentierten Ködern zeigen und die Fischer in den Wahnsinn treiben. Oder dünner gesäte Egli, die sich dafür aggressiv und in guten Grössen auf fast jedes Angebot stürzen; wenn man sie denn einmal gefunden hat. Oder es wimmelt nur so von bissigen Egli um die fünfzehn Zentimeter, dass es einem gleich wieder ablöscht. Und da gibt es noch jene Plätze, wo die Egli nur zu bestimmten Zeiten präsent sind und sagenhafte Fänge bescheren. Mit dem falschen Timing steht man hier aber auf verlorenem Posten und sieht keinen einzigen Streifen. Noch dazu kommt die Tatsache, dass Eglibestände typischerweise schwanken und sich in vielen Gewässern «starke» mit «schwachen» Eglijahren abwechseln. Wir haben die Fangstatistiken der grossen Schweizer Seen genauer angeschaut und daraus einige interessante Kennzahlen ermittelt.
Fangertrag ist nicht gleich Fangerfolg
Die Zahlen aus den kantonalen Fangstatistiken (fischereistatistik.ch) sind mit Vorsicht zu geniessen und bilden nicht 1:1 ab, was tatsächlich in den Seen lebt. Zudem sind nicht alle Gewässer darin zu finden. Dennoch können wir daraus Trends ablesen. Eine Kennziffer ist der Gesamtertrag an Egli in absoluten Zahlen. Daraus erfahren wir, aus welchen Gewässern die grössten Anteile der in der Schweiz gefangenen Egli stammen und welche Trends über die Zeit zu erkennen sind. Spitzenreiter mit grossem Abstand ist diesbezüglich der Genfersee, gefolgt von Neuenburgersee, Zürichsee und den anderen grossen Seen. Berücksichtigt man nur die mit Haken gelandeten Egli, steht ebenfalls der Genfersee mit grossem Abstand an der Spitze. Die anderen Seen der «Top Ten» folgen hingegen in einer teils stark abweichenden Reihenfolge. Manche Eglibestände werden von der Berufsfischerei in einem weitaus stärkeren Masse abgeschöpft als von der Angelfischerei. Für den Fischer mit der Rute am Wasser stellt sich vielmehr die Frage, wie es um seine Fangchancen steht. Hierzu aussagekräftiger ist der Fang in Kilogramm Egli pro Hektar Seefläche. Wir haben die Seeflächen und Daten aus der Fischereistatistik (Jahre 2015-2019) und einige zusätzlich recherchierte Fangzahlen der Angelfischer miteinander in Bezug gesetzt. Daraus ergibt sich nochmal ein deutlich anderes Bild. Die Spitzenreiter punkto Kilogramm mit der Rute gefangener Egli pro Hektare Seefläche heissen Greifensee, Sihlsee, Murtensee, Schiffenensee, Sempachersee, Luganersee, Greyerzersee, Alpnachersee, Zugersee und Baldeggersee. Die in absoluten Zahlen ertragsstarken grossen Seen folgen weit abgeschlagen. Nur der Zürichsee verpasst mit 1,5 kg Egli pro ha diese Top Ten mit dem 12. Platz vergleichsweise knapp. Für uns Angelfischer lohnt sich das Eglifischen offenbar besonders in nährstoffreichen und mittelgrossen Seen. Dazu kommen noch unzählige nicht in der allgemeinen Statistik erfasste Klein- und sogar Fliessgewässer mit guten Eglifängen. Für die Eglifischerei im Allgemeinen wagen wir uns an eine Beschreibung von unterschiedlichen «Egli-Gewässertypen».
Grosse Seen, grosse Schwärme
Die absoluten Egli-Erträge der grössten Seen Genfersee, Neuenburgersee und Bodensee haben in den vergangenen 30 Jahren sehr stark abgenommen. Hauptsächlich ist das wohl auf den Nähstoffrückgang zurückzuführen, vor allem am Bodensee. Doch auch heute noch trifft man auf diesen «Binnenmeeren» riesige Eglischwärme an und kann mit der Hegene (à la gambe) oder in der modernen Version Dropshot die Kühlbox mit (eher kleineren) Egli füllen. Hat man aber keine Ahnung vom aktuellen Standort der Schwärme oder findet sie nicht, fischt man über weite Strecken auf verlorenem Posten. Am aussichtsreichsten und mit guten Durchschnittsgrössen zu erwarten ist die Eglifischerei heute am Genfersee. Dafür sprechen auch die Hechtbestände dieses Gewässers, welche inzwischen zu den besten unseres Landes, wenn nicht gar Mitteleuropas, zählen.
Viel Wasserpflanzen und Futter, wählerische Egli
Auch wenn einige Ausnahmen diese Regel bestätigen: Produktive Gewässer mit vielen Wasserpflanzen (Laichplätze) riechen nach Egli! Diese Beschreibung trifft auf die meisten nährstoff- und ertragreichen Gewässer wie den Greifen-, Sempacher-, Bieler-, Zuger-, Luganer-, Alpnacher- oder Murtensee zu. Auch wenn nicht (mehr) so nährstoffreich, zählt auch der Zürichsee noch dazu. Hinsichtlich der hohen Erträge besucht man solche «Eglifabriken» berechtigterweise mit hohen Erwartungen. Doch gerade als Besucher wird man oft enttäuscht und versucht verzweifelt, die vielen Egli direkt vor den Füssen zum Anbiss zu bewegen. Denn gerade in üppigen Grossgewässern zeigen sich die wohlgenährten Egli häufig wählerisch und haben ein enges Beuteschema und Beisszeitenfenster. Aufgrund des hohen Befischungsdrucks sehen die Räuber hier auch oft einen Bissen mit Haken. Der Grossteil der angelandeten Stachelritter geht auf das Konto der lokalen Fischer und erfahrenen Egli-Cracks. Hier finden wir die Hochburgen der Finesse-Fischerei und Bestmarkenjäger. Als Anfänger empfehlen sich die grossen Tessiner Seen. Der Luganersee und Langensee entsprechen auch diesem Seetyp, doch die Egli sind hier (noch?) eher unkritisch und bissiger.
Dankbare Egli
Nicht immer ist die Biomasse entscheidend für den Fangerfolg. Eher nährstoffarme Gewässer wie der Lac de Joux, Vierwaldstätter-, Thuner-, Walen-, Sarnen- oder Ägerisee bescheren den hier fischenden Petrijüngern regelmässig Sternstunden. Denn in diesen Gewässern sind die Egli zwar dünner gesät, aber tendenziell hungriger und aggressiver. Ein potenzielles Beutetier entgehen lässt sich hier kaum einer der gestreiften Räuber. Hier lohnt sich die Suche nach den Egli-Signalen auf dem Echolot oder das Abklappern vielversprechender Stellen wie überhängende Bäume, Schiffstege oder Kanten. Hat man sie gefunden, pflückt man meistens eine Handvoll Egli zusammen, manchmal sogar noch deutlich mehr, nicht selten in überraschend guten Durchschnittsgrössen. Für mich persönlich unvergesslich sind sommerliche Egli-Highlights am mageren Brienzersee, dem absoluten Schlusslicht aller Schweizer Fangstatistiken.
Magische Stauseen
In den gut zugänglichen Zahlen nicht erfasst sind die Fänge der Schweizer Stauseen. Recherchiert man im Internet danach, wird das Potenzial dieser von Menschen erschaffenen und regulierten Wasserwelten offensichtlich. Der grösste Stausee der Schweiz ist mit 1130 Hektaren der Sihlsee, und neben Zander und Hecht gedeihen hier auch die Egli «so nebenbei» sehr gut. Die Gestreiften ergeben hier mit rund vier Kilogramm pro Hektare eine grosszügige Beilage und verschaffen diesem See den zweiten Platz nach dem Greifensee punkto kg/ha. Mit dem Schiffenensee (2,8 kg/ha) und dem Greyerzersee (2,3 kg/ha) sind noch weitere zwei Stauseen unter den Top Ten dieser Statistik. Auch der an kapitalen Egli besonders produktive Wägitalersee ist ein gestautes Gewässer. Allerdings ist das Fischen an Stauseen oft wie verhext. Diese Reviere erfordern ein hohes Mass an Kenntnissen der Gewässerbeschaffenheit und dem Fischverhalten. Teilweise liegen versunkene Wälder oder Gebäude im Wasser, veritable Räuberburgen und gleichzeitig gierige Köderfallen … Als Besucher weiss man vor lauter Krautfeldern, steilen Kanten, Buchten, versunkenen Strassen und Mauern nicht mehr, wo sich das Werfen lohnt. Dazu kommt, dass die Stauseebewohner auffallend launisch sind. Ist man gerade zur rechten Zeit an der richtigen Stelle, wähnt man sich in einem Raubfischparadies. Aber wollen sie gerade nicht, lassen nur Hänger die Ruten krümmen. Auf gut Glück einen der Stauseen zu besuchen, lohnt sich so oder so – denn sie liegen alle in einem Postkartenpanorama. Der Wägitaler- und Sihlsee sind für Gastfischer besonders gut zugänglich (einfacher Tageskartenkauf und Bootsmiete). Auch im «Fischerparadies» Lungerersee sind die Egli eine befischenswerte Alternative zu den eingesetzten Regenbogenforellen.
Flussbarsche
Dem deutschen Namen nach müssten die Egli eigentlich in den Flüssen vorkommen. Und das tun sie auch tatsächlich, selbst wenn die entsprechenden Fangzahlen schwieriger zu finden und interpretieren sind. Für gute Eglibestände bekannt sind die Kanäle im Seeland, Abschnitte der Aare und des Rheins, der Limmat oder der Birs. Auch in Reuss und Thur werden Egli gefangen, ebenso in etlichen kleineren Fliessgewässern. In nährstoff- und pflanzenreichen Wasserläufen mit einem gemischten Fischbestand fühlen sich die Zebras oft sogar so wohl, dass sie den getupften Räubern den Rang als Haupt-Raubfisch abgelaufen haben. Im Gegensatz zu den Seen haben die Egli-Erträge aus den Fliessgewässern zugenommen und diese Tendenz hält bis jetzt weiterhin an.
Bergsee-Egli
Die in etlichen Bergseen massenhaft vorkommenden Elritzen sorgen auch in hoch gelegenen Alpenseen für einige unerwartet gute Eglibestände. Einige sind so gut, dass manche Fischer eigens wegen ihnen, nicht wegen der Salmoniden, in die Höhe kommen. Dazu zählen der Arnensee, der Melchsee, der Glarner Obersee und der schöne Lac de Tanay im Unterwallis. Auch im Oeschinensee werden (gelegentlich) Egli gefangen. Dazu kommen noch etliche weitere Gewässer auf «halber Höhe» mit guten Beständen, etwa der an kapitalen Egli auffallend ergiebige Seelisbergersee oder der Laaxersee. Wer bereits auf alpine Egli gepirscht hat, kann es bestätigen: Die Egli beissen gut in der Höhe.
Kapitale Egli
Wir haben die dem «Petri-Heil» gemeldeten 414 kapitalen Egli von 1961-2022 aus 43 unterschiedlichen Gewässern ausgezählt. Dieses Bild unterscheidet sich von den Fangstatistiken und offenbart, dass einige Gewässer besonders viele Egliriesen hervorbringen. Natürlich stecken dahinter auch noch andere Faktoren wie eine besonders mitteilsame und dem «Petri-Heil» verbundene Fischergemeinde und die deutlich untervertretene Westschweizer Leserschaft ennet dem Röstigraben. Solche Faktoren sind jedoch vermutlich nicht die einzige Erklärung des Phänomens Zürichsee, auf dessen Konto sage und schreibe 128 gemeldete kapitale Egli gehen, gefolgt vom Greifensee (40) und Zugersee (32). Grosse «Rehlig» werden aus sehr unterschiedlichen Gewässern gemeldet, darunter 7 Fliessgewässer und etliche Kleinseen. Der kleine Seelisbergersee sticht mit satten 7 Meldungen sogar den über dreitausendmal grösseren Genfersee (5) aus! Auch der überschaubare Wägitalersee überrascht mit 24 Meldungen auf dem vierten Platz dieser Rangliste. Der nährstoffarme und kühle Vierwaldstättersee schafft es mit 14 Meldungen ebenfalls in die Top Ten. Im Gegensatz zur Ertragsstatistik finden sich auch eher magere Gewässer im Mittelfeld, so etwa der Sarnersee (4) und der Ägerisee (5). Ob ein Gewässer besonders grosse Egli hervorbringt, hängt offensichtlich nicht nur von der Grösse und dem Nährstoffgehalt des Gewässers ab.
Den «Egli-Code» knacken
An allen Gewässern führt der Weg zum erfolgreichen Eglifischen über beharrliches Suchen und Ausprobieren. Überall geht es darum, den geltenden «Egli-Code» zu knacken. Letzten Endes lässt sich jedes Hausgewässer zum persönlichen Top-Egligewässer erfischen.
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