17 | 01 | 2023 | Reisen | 0 | 4885 |
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Südamerikanisches Fischerabenteuer
Ich folge unserem Führer Nak durch den Dschungel und bahne mir in der Dunkelheit einen Weg durch die dichte Vegetation zum Ufer eines kleinen Bachs. In der Ferne machen Brüllaffen einen Lärm, der die ersten Europäer, die einen Fuss in dieses ferne Land gesetzt haben, erschreckt haben muss. Ich habe heute schon sechs verschiedene Fischarten gefangen – wir sind auf der Suche nach Nummer sieben.
Nak rät mir, meine Stirnlampe auszuschalten und meinen Köder in der Mitte des kleinen, dunklen, teefarbenen Bachs auswerfen. In völliger Dunkelheit setzen die Brüllaffen ihr Ständchen fort; Tausende von Käfern erfüllen den Dschungel mit Lärm und Glühwürmchen sind das einzige Licht. Wenige Sekunden, nachdem mein Köder auf dem Grund ist, spüre ich, wie mir die Leine durch die Finger rinnt, ich schliesse die Rolle, setze den Haken hart in etwas Schweres und die Oberfläche explodiert. Willkommen in Amatopo.
Amazonas Wildnis
Der mächtige Corantijne-Fluss bildet die natürliche Grenze zwischen Surinam im Osten und Guyana im Westen. Diese gigantische Wassermasse, die manchmal mehrere Kilometer breit ist, durchschneidet den Regenwald wie eine riesige Autobahn in einem undurchdringlichen grünen Chaos. Der Fluss teilt sich oft in hunderte kleinere Wasserwege und bietet mit felsigen Inseln, flachen Sandbänken, Millionen von Felsbrocken, weissen Stromschnellen, tosenden Wasserfällen und dunklen Löchern bis zu 35 m Tiefe den idealen Lebensraum für viele verschiedene Fischarten.
Ich hatte das Glück, von Arnout eingeladen zu werden, der bereits vor einigen Jahren eine Erkundungstour in dieser Region unternommen hatte. Gemeinsam mit Will, Arnout und Maarten brechen wir zu einem neuen Abenteuer auf. Von Paramaribo aus fliegen wir mit einem kleinen Charterflugzeug, in dem nur wir vier, unsere Ausrüstung und die Vorräte für eine Woche Platz haben. Im Dorf Amatopo warten unsere beiden Langboote auf uns. Der Wasserstand ist bei unserer Ankunft nicht ideal. Es ist die trockene Jahreszeit, aber in den letzten Jahren ist das Wetter unberechenbar geworden, und selbst jetzt steigt und fällt der Fluss täglich, nachdem heftige Regenschauer grosse Mengen Wasser aus den Hügeln und dem Dschungel in den Corantijne, den Hauptwasserweg, geleitet haben.
Kampfstarke Grosswelse
Der grösste Fisch in diesen Gewässern ist der Rotschwanzwels. Die grösseren Exemplare stehen hier an der Spitze der Nahrungskette und scheinen sich optimal entwickeln zu können. Diese wunderschönen Tiere sind sehr neugierig und wenn man sie an der richtigen Stelle angelt, finden sie den Köder innerhalb von Minuten, nachdem er auf dem Grund ist! Ich habe im Lauf der Jahre schon viele grosse Europäische Welse gefangen und bin immer von ihrer Kampfstärke beeindruckt. Man hatte mich vor der Stärke der Rotschwänze gewarnt, aber ich bin trotzdem schockiert, als ich meinen ersten grossen Fisch an den Haken bekomme. Diese wütenden Kämpfer nutzen ihren breiten Körper und ihren grossen Schwanz, um sich ihren Weg durch starke Strömungen zu bahnen. Mit grossen, hungrigen Piranhas als Publikum, die Deine Köder, Rigs, Knoten und Vorfächer angreifen, kämpfst Du gegen diese wilden Dschungelriesen. Mehrere grosse Rotschwänze bekommen wir an die Haken, aber nur wenige können wir landen.
Am zweiten Tag der Reise werde ich Zeuge des Fangs eines echten Monsters in Rekordgrösse, gefangen von Will. Nur wenige Angler haben ein solches Tier zu Gesicht bekommen. Als wir ihn ans Ufer bringen und die farbenfrohen Aras schreiend über uns hinwegfliegen, kommt mir das alles surreal vor. Ein grosses, stinkendes Stück Zitteraal, das in ein tiefes, dunkles Loch hinabgelassen wurde, wo sich die Piranhas nicht hintrauen, diente dazu, diesen Riesen anzulocken. Der Kampf ist lang und schwer, denn der Fisch nutzt sein Gewicht und seinen massigen Körper, um in der Tiefe zu bleiben.
Ich bin froh, mich durch eine Menge kleinerer Fische, die ebenfalls gut kämpfen, nach oben zu arbeiten. Nach wenigen Tagen habe ich das Glück, einen wahrhaft brutalen Rotschwanz an den Haken zu bekommen, nachdem ich seinen Bruder nur wenige Minuten zuvor in demselben tiefen Loch verloren hatte. Dieser Fisch reisst mir 100 Meter Schnur von der Spule, während er in die Strömung stürzt. Er liefert mir einen Kampf, den ich nie vergessen werde. Zum Glück kann ich ihn vom Grund weghalten und nach einem schweisstreibenden Kampf landen. Ein grosser, leuchtend roter Schwanz, ein riesiger Schädel, der sich anfühlt wie Beton, die Haut wie Leder.
Nachtaktiver Anjoemara
Einer der Fische, auf den ich mich am meisten gefreut habe, ist der Wolfsfisch, auch bekannt als Anjoemara. Es sind prähistorisch aussehende Fische mit einem breiten Körper, einem knochigen Schädel und einem Gebiss mit grossen, scharfen Zähnen. Diese Raubfische sind nachtaktiv und kommen in kleinen Nebenbächen vor. In diesen seichten, teefarbenen und völlig zugewachsenen Bächen gedeihen die Anjoemara zusammen mit grossen Zitteraalen und anderen Fischen. Wir fischen, wie es die Einheimischen unter diesen Bedingungen tun. Unsere mit einer Machete bewaffneten Führer führen uns durch den dichten Dschungel zu Stellen, an denen sie Wolfsfische vermuten. Ein Stück Piranha oder ein anderer Köderfisch an einem grossen Einzelhaken und Stahlvorfach wird dreimal auf die Oberfläche geschlagen, bevor man ihn auf den Grund sinken lässt. Dieses laute Geräusch weckt die Fische und lockt sie in die Nähe. Pfeifgeräusche, die Vögel imitieren, und Gesänge in der Landessprache bringen sie ebenfalls näher, wie mir unser Führer Nak erzählt. Aberglaube hin oder her, sie kommen ...
Tagsüber ist das Angeln etwas schwieriger, deshalb nehmen uns unsere Führer erst nach Sonnenuntergang mit an die Bäche. Zu Fuss durch einen dunklen Dschungel voller Geräusche und Glühwürmchen. Das Einzige, was die Wolfsfische nachts verscheucht, ist das Licht, und so fischen wir in pechschwarzer Dunkelheit. Wenn wir tief im Dschungel laute Spritzer hören, wissen wir, dass die Anjoemara aktiv und auf der Jagd sind. Wir antworten ihnen mit kräftigen Schlägen unseres Köders auf die Wasseroberfläche und warten auf eine Reaktion, während der Köder auf den Grund sinkt. Mein Führer rät mir, den Haken kraftvoll zu setzen und dann in den Dschungel hinter mir zu rennen! Die Kämpfe sind heftig, und grosse Fische schütteln den Haken ab, wenn sie aus dem Wasser springen oder einfach direkt in einen Baum tauchen. Erleichterung kommt erst, wenn der Landegriff gelingt.
Oberflächenbisse vom Pfauenbarsch
Nach der Bestie kommt die Schönheit: der Schmetterlings-Pfauenbarsch. Wo sich die Strömung ihren Weg zwischen Felsbrocken bahnt, kann man ziemlich sicher sein, dass diese aggressiven Fische in der Nähe sind! Sie lauern hinter einem Felsen, einem kleinen Wasserfall oder einer kleinen Sandbank auf Beute. Wenn es einen Fisch gibt, der auf dieser Reise schnell einen Platz in meinem Herzen erobert hat, dann ist es der Pfauenbarsch. Ein grossartiger Kämpfer mit tropischem Aussehen und spektakulären Topwater-Bissen auf Stickbaits oder Propellerköder. Oft springen sie aus dem Wasser, wenn sie den Köder attackieren. Was ich aber am meisten liebe, ist das Geräusch des Bisses, wenn sie in Sekundenbruchteilen ihr riesiges Maul öffnen und den Köder mit voller Wucht angreifen!
Maarten und ich werden geradezu süchtig auf Pfauenbarsche. Unser Guide navigiert uns zwischen kleineren Seitenarmen des Flusses mit vielen Felsen, Wasserfällen und anderen Hotspots, so dass wir immer wieder werfen können. Diese Fische bilden oft Paare, d. h. ein Milchner und ein Rogner stehen beisammen. Wenn man einen fängt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass man an der gleichen Stelle einen weiteren an den Haken bekommt! Pfauenbarsche, oder Tucunare in Surinam, versuchen nicht immer, den Köder zu fressen, sondern schlagen ihn auch, um ihn aus dem Weg zu räumen. Wir werden Zeugen, wie grosse Fische unsere Köder mit geschlossenem Maul neben dem Boot aus dem Wasser stossen!
Gefrässige Piranhas und wohlschmeckende Pacus
Einer der berühmtesten Fische des Amazonas ist natürlich der Piranha; diese Fische sind in grosser Zahl um Amotopo zu finden. Sie sind mit scharfen Zähnen bewaffnet und haben genug Bisskraft, um einen 100 Pfund-Stahldraht zu durchtrennen, wie wir erfahren haben. Sowohl die Menge als auch die Grösse der schwarzen Piranhas in diesem Gebiet sind extrem. Die ersten Piranhas machen Spass, sie beissen kräftig zu und wehren sich, vor allem die grösseren mit einem Gewicht von etwa 3 kg. Aber danach werden sie einfach lästig, wenn man versucht, andere Fischarten zu fangen. Sie zerstören Köder, Rigs und sogar die Hauptschnur beim Angeln auf Wels. Maarten erlebt den schlimmsten Piranha-Moment von uns allen, als 15 Minuten nach einem Kampf mit einem Monster-Rotschwanz ein Piranha auf seinen FG-Knoten im Wasser aufmerksam wird und zu einem Biss ansetzt …
Normalerweise kommen sie nicht in die Bäche, in denen wir auf Wolfsfische angeln, aber hin und wieder sind ein paar dabei, die uns in einer Sekunde den Köder vom Haken schneiden. Auch beim Fischen auf Pfaue jagen sie oft unsere Topwater-Köder. Aber der Überfluss an Piranhas machte es uns auch leicht, Köderfische für Welse und Anjoemara zu fangen. Meistens dauerte es nicht länger als 10 Minuten, bis wir genügend Köder für einen halben Angeltag haben!
Pacus sind mit den Piranhas verwandt, aber sie sind keine Killermaschinen wie ihre Cousins. Zu dieser Jahreszeit fressen sie am liebsten in den harten Strömungen, wo Wildwasser auf Felsen trifft! Unsere Führer krabbeln über die Felsen und suchen nach Süsswasserkrabben oder grossen Schnecken, die die Pacus gerne fressen. Oft haben wir schon beim ersten Wurf einen der grossen Silberplatten am Haken! Der Köder muss den Pacu finden, der sich in der starken Strömung auf der Suche nach Nahrung bewegt. Wenn der Köder sich nicht mehr bewegt, kann man davon ausgehen, dass ein Fisch ihn entdeckt hat, und wenn man den Haken setzt, weiss man sofort, ob es ein Fisch oder ein Stein ist! Diese Momente sind für mich eine willkommene Abwechslung nach dem Fischen mit dem schwereren Gerät auf die grösseren Arten. Es macht immer wieder Spass, den Köder in der Strömung über den Grund zu führen und diese starken Fische in den Stromschnellen mit leichtem Gerät zu bekämpfen. Wir machen auch die Guides glücklich, da Pacus zu ihren Lieblingsfischen gehören, die sie gerne essen: Viele Pacus landeten auf dem Räucherofen, den sie neben dem Camp gebaut hatten, zusammen mit Wolfsfischen und Pfauen.
Tigerwelse, Rochen und Zitteraale
Vom Aussehen her der attraktivste Fisch von allen ist der Tigerwels! Was ihm im Vergleich zu den Rotschwänzen an Grösse fehlt, macht er durch sein Aussehen wett! Der Körper ist mit einem wunderschönen schwarz-grauen Tigermuster überzogen. Mehrere andere Arten von kleinen Welsen fangen wir ebenfalls mit toten Ködern! In den tieferen Teilen des Flusses tummeln sich nicht nur Welse, sondern auch grosse Rochen! Während unseres Ausflugs fangen wir mehrere Exemplare. Diese Tiere erwartet man in einem Fluss nicht unbedingt.
Grosse Zitteraale findet man in den kleinen Bächen, wo man sie leicht entdecken kann, wenn sie an die Oberfläche kommen, um Luft zu holen. Ich hake zwei, weil sie sich gut als Welsköder eignen; der grösste Wels der Reise fiel darauf herein. Diese Fische werden von unseren Führern mit äusserster Vorsicht behandelt. Unsere Guides waten nie in diesen Bächen, weil dort die Gefahr eines Zitteraals oder gelegentlich eines Stachelrochens besteht!
Campleben
Wir zelten in einer abgelegenen Region, in der die einzigen Menschen in unserer Nähe die 40 Einwohner des indigenen Dorfes Amatopo sind. Wir haben Vorräte dabei, leckeres Essen und sogar eiskaltes Bier. Und wir essen auch eine Menge Fisch aus unseren täglichen Fängen. Ich sehe, wie unsere Führer mehrmals einen sogenannten «Waldtruthahn» erlegen, Leguaneier von einem Sandstrand sammeln und eine Schildkröte als Haustier für die Kinder im Dorf aus dem Dschungel mitbringen! Wir fangen zusammen Kaimane und sichten auf dem Fluss viele wilde Tiere wie Tapire, Affen, Aras, Adler und Familien mit riesigen Flussottern. Wir nehmen Erinnerungen mit, die ein Leben lang halten werden, und ich hoffe, meine Geschichte und meine Bilder motivieren auch Dich zu einer Reise auf den Corantijne.
Fischer-Info
- Fischarten/Zielfische: Rotschwanzwels, Tigerwels, Schmetterlings-Pfauenbarsch, Wolfsfisch (zwei Arten, der riesige Trahira und der kleinere Pataka), Schwarzer Piranha.
- Andere Arten, die gefangen werden können: Flussstachelrochen, Matrinxã, Marokko (Brycon amazonicus), Mandubé (Ageneiosus inermis), Hornwels (Pterodoras granulosus) und wahrscheinlich viele mehr!
- Verwendetes Gerät für Welse: Schwere Bootsrute 30-50 lbs, 2,1 m; schwere Baitrunner oder Multiplikatorrolle mit 100 lbs + Geflecht, Stahldraht für Rigs. XH-Einzelhaken, schwere Mono-Schockvorfächer.
- Für Pfau/Wolfsfisch: Schwere Baitcasting- oder Spinnrute 2,2 m 30-100 g; Hochgeschwindigkeits-Spinn- oder Multirolle mit 50 lbs; Geflochtene Fluoro/Mono-Vorfächer für Pfau, Stahldraht/Titan-Vorfächer für Wolfsfisch, Stickbaits/Propellerköder/Lipless Wobbler mit Rasseln.
- Für Pacus/Piranhas: MH Spinnrute 2,4 m, Spinnrolle 4000 HG.
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