17 | 04 | 2017 | Schweiz | 0 | 14233 |
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Sunk / Schwall: Eine weitere Kehrseite der Wasserkraftnutzung
Sunk und Schwall ist mittlerweile in aller Munde. Doch darüber, wie weitreichend die Auswirkungen tatsächlich sind, ist in der Öffentlichkeit – und auch bei uns Fischern – noch zu wenig bekannt.
Beispielsweise, dass durch die ungehemmte Intensivnutzung des Alpenrheins ganze Populationen verschiedener Fischarten ausgelöscht worden sind, anderen das Überleben praktisch unmöglich wurde. Fakt ist, dass bei der Nutzung unserer Gewässerläufe zur Stromproduktion weder Feinstaub noch CO2 an die Umwelt abgegeben werden. Zudem scheint die Ressource Wasser auf ewig vorhanden zu sein. Es gibt aber auch eine Kehrseite dieser Energiegewinnung.
Nur: Diese wird entweder verheimlicht, verharmlost oder dann, wenn es nicht mehr anders geht, als unumgänglicher Kollateralschaden akzeptiert.
Betroffen von dieser rücksichtslosen Methode sind nicht nur die Gewässer selbst, sondern auch der gesamte Talboden. Die viel gelobten Restwasserzugaben sind dort in ihrer Wirkung sehr beschränkt und in den schwer betroffenen Hauptläufen nahezu unbedeutend. Zu massiv wirken diese täglichen Extremhochwasser. Die angestammte Lebensgemeinschaft wird im grundwasserorientierten Umland ebenfalls auf Raten ausgelöscht und die Vegetation verfälscht.
Was ist Sunk und Schwall?
Sunk und Schwall entsteht, wenn Wasser statt für den heimischen Bedarf, vor allem als Wirtschaftsgut verwendet wird. Während bei tiefem Strompreis die Turbinen ruhen und Atom- und Kohlestrom als billige Bandenergie importiert werden, drehen sie, sobald der Preis rentabel wird, unter Hochlast. So entstehen die täglich und mehrfach wiederkehrenden, aggressiven Hochwasser. Natürliche Hochwasser haben einen völlig anderen Charakter: Sie fördern Leben und schaffen Lebensraum. Da solche natürlichen Ereignisse meist langsam beginnen, können sich Wasserlebewesen darauf einstellen und an ruhige Stellen flüchten. Mit steigendem Pegel werden Sedimente abgetragen und frischer Kiesgrund kommt hervor. Das natürliche Hochwasser endet nicht abrupt. Mit sinkendem Pegel klart das Wasser auf und die Flusssohle wird mit klarem Wasser durchgespült.
Hochwasser zur Energiegewinnung sind leider völlig anders und entstehen nicht als eingespieltes Ereignis, dem sich die Natur angepasst hat. Sinkt der Strompreis an der internationalen Strombörse, werden die Luken im Kraftwerk wieder dichtgemacht. Der Pegel fällt abrupt um bis das 10- bis 15-Fache. Zum «Dessert» gibts dann noch den anfangs kaum wahrnehmbaren Effekt, dass mangels Nachspülung mit sauberem Wasser der Gewässergrund und die Kiesbänke zunehmend verschlammen und sämtliche Lebewesen, die sich dort drunter befinden, aufgrund der dichten Sedimentschicht ersticken.
Tierwelt und Vegetation leiden
Das Hauptproblem liegt bei der plötzlichen Veränderung des Lebensraums Wasser. Jungfische und weniger mobile Fische wie beispielsweise die Groppe haben vor allem an breiten, mit Kiesbänken durchzogenen Flussabschnitten keine Chance. Hier in der optisch schönen Flusslandschaft ist die flache Todeszone besonders ausgedehnt. Mit dem ständigen Steigen und Sinken des Pegels können die Wasserbewohner nicht Schritt halten. Lebenswichtige Grünalgen und Kleinlebewesen sterben durch Trockenheit und Sonneneinstrahlung ab. Zudem schwankt, je nach Herkunft des turbinierten Wassers, die Temperatur schlagartig. Ein wenig beachteter Faktor ist der Wintereinstand für die Fische, welcher etwa für die einheimischen Bachforellen in den Wintermonaten von elementarer Bedeutung ist. Solche Rückzugsorte fehlen bei Sunk- und Schwallbetrieb weitestgehend. Die Fische müssen täglich mehrfach gegen abrupte Strömungsveränderungen ankämpfen und fortwährend einen geeigneten Aufenthaltsort suchen. Sinkt im Winter die Wassertemperatur, sind die Fische bei der Nahrungsaufnahme gehemmt und können das ohnehin spärliche Nahrungsangebot nicht mehr richtig nutzen. Um vital zu bleiben, müssen sie jedoch in der Lage sein, genügend Nahrung aufzunehmen.
So werden die Fische über Jahre immer mehr dezimiert, bis sie schliesslich ganz verschwinden. Aktuell befindet sich der gesamte Alpenrhein im Endstadium dieser Entwicklung. Einige Fischarten, wie etwa die Nase, sind dort deswegen schon vor Jahren ausgestorben. Weitere Arten sind stark bedroht. Fische, die im Winter nicht entkräftet zu Grunde gegangen sind, werden im Frühling nicht etwa von einem reichen Nahrungsangebot empfangen, sondern finden nur eine verschlammte und verdichtete Flusssohle ohne jegliches Leben vor. So haben sie weiterhin mit dem künstlichen Sunk und Schwall zu kämpfen und müssen in die jährlich wiederkehrenden Extremhochwasser der Schneeschmelze starten.
Der Auwald verschwindet
Die Wasserkraftnutzung vernichtet auch natürliche Landschaften und lässt auch die selten gewordenen Feuchtbiotope austrocknen. Sunk und Schwall vertiefen die begradigte Flusssohle in rasendem Tempo. Im grundwasserorientierten Umland wird die Fauna und Flora nachhaltig verfälscht. Artenreiche Nebengewässer trocknen aus und der ans Gewässer angepasste, höchst wertvolle Auwald verschwindet nach und nach.
Was kann getan werden?
Eine Mässigung der Pegelschwankungen, wie es künftig vorgeschrieben ist, könnte vor dem Schlimmsten bewahren. Als Sofortmassnahme, bis dann Ausgleichsbecken, Speicherkavernen und dergleichen Realität werden, muss die Geschwindigkeit der Pegelveränderung und deren Spitze abgeschwächt werden.
Denn vor allem das Tempo, wie das alles vonstatten geht, verursacht grosses Tierleid und kann ethisch, auch als Kollateralschaden, nicht akzeptiert werden.
Fazit: Die Nutzung des Wassers in der heutigen Art führt zum Aussterben der einheimischen Bewohner im Fluss.
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