15 | 07 | 2019 | Diverses | 0 | 5169 |
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Über die Faszination beim Fischen …
... wurde schon viel nachgedacht und geschrieben. Unser Redaktor Erich Bolli wagt einen Einblick in die psychologischen Tiefen unseres Hobbys.
Was zieht uns Fischer so unwiderstehlich ans Gewässer? Was ist es eigentlich genau, das eine derartige Faszination auf uns ausübt? – Eine Frage, mit der sich neben einigen zur Selbstreflexion neigenden Fischern auch Menschen aus deren Umfeld beschäftigen: Partnerinnen, die sich schwer tun mit der dauernden Abwesenheit des Mannes, Paartherapeuten, die Beziehungskrisen eines Fischers und einer Nicht-Fischerin zu meistern versuchen, Tierschützer, die den Fischern ihre Leidenschaft, aus der sie nicht schlau werden, verbieten wollen, Theologen, die Petrus zwar verehren, denen die heutigen Petri-Jünger aber irgendwie suspekt vorkommen, usf.
Ich habe diese Frage «Was fasziniert Dich am Fischen?» bei meinen Porträts für «Petri-Heil» in den letzten fünf Jahren regelmässig meinen Interview-Partnern vorgelegt. Die Antworten lauteten jeweils ähnlich: Freude an der Natur, Abschalten vom Stress im Berufsalltag, Zusammensein und Austausch mit Fischerfreunden, etwas seltener das Eingeständnis, Beute machen zu wollen für einen guten «Znacht».
So weit, so gut, aber das kann doch nicht alles sein. Das kann man auch beim Pilzesammeln oder sonst einer Tätigkeit mit Gleichgesinnten erleben. Hinter der Faszination am Fischen muss mehr stecken!
Grosse Literatur hat ein untrügliches Gespür für das Innerste des Menschen und die Literatur kann uns auch hier den Weg weisen: Ernest Hemingway zeigt uns in seinem epochalen Werk «The Old Man and the Sea» aus dem Jahr 1951 den einfachen, armen Fischer Santiago. Nach einer 84-tägigen Phase der Erfolglosigkeit in seinem Boot hakt Santiago endlich einen gigantischen Marlin und ringt mit ihm, allein auf dem weiten Meer, drei Tage lang. Während dieses gewaltigen Drills, der dem alten Mann alles abverlangt, wird klar, dass der Fisch zwar sein starker Gegner ist, aber ihm als solcher nicht verhasst ist. Der grosse Marlin ist ein Geschöpf, mit dem sich der alte Mann geistig verbunden fühlt, ein Wesen, das er achtet und verehrt. Trotzdem – wenn es ihm gelänge, den Fisch zu überwinden und heimzubringen, wäre seine Existenz für lange Zeit gesichert.
In Herman Melvilles Roman «Moby Dick» – genau hundert Jahre vor «The Old Man and the Sea» geschrieben – wird die Hauptfigur Ahab, Kapitän eines Walfängers, von fanatischem Hass getrieben. Er will jenseits von kommerzieller Absicht den verhassten, als «böse» eingestuften weissen Wal zur Strecke bringen, koste es, was es wolle, und sei es auch das Leben.
Beiden Werken ist gemeinsam, dass sich bei der breit angelegten Schilderung des jeweiligen Kampfs hinter den dramatischen äusseren Abläufen nach dem Haken bzw. Harpunieren bei den Fischern komplexe emotionale Vorgänge abspielen.
Und genau hier stossen wir auf den Kern der Faszination des Fischens: Was passiert nicht alles in unserer Gefühlswelt, wenn ein Fisch den Köder genommen hat, bis wir ihn feumern können! Was für eine emotionale Gratwanderung ist doch diese Phase; sie enthält unsere gesamte Gefühlsskala und alles ist möglich. Es kann in grösster Freude oder bitterer Enttäuschung enden.
Der Grundfischer hat seine Grundbleimontage ausgelegt und richtet sich gemütlich ein, der Zapfenfischer betrachtet frohlockend, wie der präzis ausgebleite Zapfen an die «heisse» Stelle driftet, der Fliegenfischer hat seine Trockenfliege mitten in den sich gemächlich erweiternden Ring auf der Oberfläche platziert – gespannte Erwartung, vielleicht lange nichts, doch dann plötzlich: Die Rute ruckelt, der Zapfen taucht ab, ein Schwall – und die Fliege wird eingesogen! Und jetzt gehts los mit der Achterbahn der Gefühle: Hoffen und Bangen. Hängt der Fisch richtig? Kann ich rasch genug Zug aufbauen? Ist es ein grosser? Was mache ich, wenn er unter das Geäst da drüben geht? Er zieht wie verrückt, hätte ich doch ein stärkeres Vorfach genommen! Jetzt nur nicht springen lassen, ich habe so lange auf den Biss gewartet, er wird doch nicht noch verloren gehen!
Und dann ist er tatsächlich weg. Natürlich spüre ich meine Enttäuschung, fasse mich aber bald wieder – das Leben geht weiter. Er hat es geschafft. Verdient, finde ich und gönne ihm die Freiheit. Vielleicht etwas scheinheilig, denn ich habe bereits ein baldiges Wiedersehen im Hinterkopf.
Oder aber es kommt gut und der Fisch sitzt solide am Haken und kann schliesslich gefeumert werden. Freude und Bewunderung: Was für eine Schönheit! Ich bin dankbar für das Erlebnis, finde den Fisch ökologisch wertvoll, nehme ihn behutsam vom Haken und setze ihn zurück. Oder denke an das feine Mahl heute Abend und nehme ihn mit.
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