31 | 10 | 2023 | Schweiz | Diverses | 0 | 3668 |
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Unsere Standpunkte
Uns Fischer treiben viele Themen um: Von Prädatoren über Echolote bis zur Bewirtschaftung und der Arbeit der offiziellen Stellen. Im Gespräch gibt unser Chefredaktor Nils Anderson die Standpunkte zu den wichtigsten Punkten wieder.
Teil 1
«Petri-Heil»: Im Moment wird Live Sonar kontrovers diskutiert. Wie stehst du dazu?
Nils Anderson: Ich bin prinzipiell gegen ein Verbot, vor allem, da daraus eine falsche Signalwirkung hervorgeht. Aber letzten Endes sind wir uns ja gewohnt, dass alles reglementiert ist; die Anzahl Haken bei der Hegene, die Widerhaken im Bach usw., weshalb also nicht auch festlegen, was ein Geber können darf? Doch meinetwegen sollen sie mit Live Sonar fischen. Ich werde mir aber keines zutun, ich habe weder die Zeit noch Lust, mich so vertieft mit Technik beim Fischen zu befassen. Und so erhalte ich mir die Überraschungsmomente beim Fischen. Diese machen ja den Zauber des Hobbys aus.
Die Bewirtschaftung der Gewässer ist ein grosses Thema! Was hältst du davon?
Ich habe immer wieder mit Leuten sprechen können, die sich in der Aufzucht engagieren. Die wissen enorm viel, sind lernbegierig und lassen sich durch Widerstände nicht entmutigen. Und sie verfolgen mit ihrer Bewirtschaftung verschiedene Ziele. Hier würde ich noch mehr Autonomie und eine liberalere Handhabung begrüssen, denn diese Leute kennen ihre Gewässer.
Experimente müssen wieder möglich sein, schliesslich stehen wir ja inmitten von unfassbar schnellen Entwicklungen, und es müssen Lösungen her. Dabei geht es nicht darum, halbmetrige Regenbögler in Wiesenbäche zu schmeissen. In einem naturnahen Bach braucht es wohl keinen Besatz. Aber in einem beeinträchtigten Gewässer muss Besatz möglich sein. Und dort muss er nicht mal nachhaltig sein.
Weshalb nicht nachhaltig?
Weil in stark beeinträchtigten Gewässern sowieso viel zu wenig herausschaut. Da ist ein Sömmerlingsbesatz, der dazu führt, dass die Seitengewässer fischereilich entlastet werden, einen Versuch wert. Auch wenn der Jahr für Jahr wiederholt werden muss. Und parallel dazu müssen Laichmöglichkeiten geschaffen und muss überhaupt renaturiert werden. Ich verstehe übrigens nicht, warum sich Besatz und Revitalisierungen ausschliessen sollen. Ich höre immer wieder: Besser revitalisieren als besetzen. Dabei ist das doch kein Widerspruch! Als ob jemand, der Attraktionsbesatz befürwortet, deswegen nicht an naturnahen Gewässern interessiert wäre. Das ist doch völlig absurd.
Aber Besatz wird ja vor allem kritisiert, weil die Erträge ausbleiben.
Wo Besatz nicht funktioniert, ist noch mehr Besatz sicher keine Lösung. Aber wo die Bewirtschaftung eingestellt wurde, sieht man auch keine Kehrtwenden zum Guten. Wo die Bestände der Bachforellen auf tiefem und tiefstem Niveau verharren, ob mit oder ohne Besatz, muss man etwas anderes versuchen. Hier sollte die Regenbogenforelle ins Spiel kommen können. Die ist wirklich kein Problem: So wurde sie während mehr als hundert Jahren eingesetzt. Unterlässt man die Bewirtschaftung, verschwindet sie wieder. Da ist der heutige Bestand eine astreine, langzeitliche Entwarnung.
Aber nicht nur die Regenbogenforelle, auch die Wiederansiedlung von Groppen, Schmerlen, Strömern und Elritzen sollte mal in Betracht gezogen werden.
Und wenn man sieht, dass die Forellen in der Limmat besser zwäg sind als diejenigen im Linthkanal, und dies wegen eines neuen Bachflohkrebses. Ja, warum versucht man das nicht mit dem Bachflohkrebs? Wenn der heimische Bachflohkrebs nicht mehr mit den Bedingungen zurecht kommt, muss man sich fragen, was einem lieber ist: Kaum noch Bachflohkrebse oder ein Bachflohkrebs mit einem anderen lateinischen Namen. In der Forstwirtschaft ist die Haltung dazu glasklar: Es müssen neue Bäume her! Und das Gute ist ja: Ist ein Ökosystem einigermassen intakt, pendelt sich die Sache stets wieder ein, abgesehen von ganz üblen Viechern wie der Quagga-Muschel.
Und damit kommt alles gut?
Wenn der Fischer fängt, ist er grundsätzlich schon mal zufrieden. Und er ist damit automatisch bereit, Geld auszugeben und auch Arbeit zu investieren in ein Gewässer. Dabei ist ganz unbestritten: Wir Fischer sind Naturschützer, aber wir sind trotzdem nicht deckungsgleich in unseren Interessen mit Organisationen wie Pro Natura oder Aqua Viva. Wir wollen nun mal Fische fangen. Und gerade vom Verband wünsche ich mir eine pointiertere Hinwendung zu genau diesem Kernanliegen von uns Fischern. Zum Glück ist da aber bereits Bewegung in die Sache gekommen.
Kannst du das mit dem Kernanliegen konkretisieren?
Der deutsche Angelfischer-Verband hat dazu eine gute Broschüre gemacht, die heisst «Geh angeln!». In dieser wird hervorgehoben, welche positiven Aspekte das Fischen als Naturerlebnis, als Ausgleich zum Berufsalltag, als kulinarische Bereicherung und als Hobby auch für Kinder mit sich bringt. Ich denke, der Fussballverband hätte auch nichts gegen nachhaltige Fussbälle und Trikots einzuwenden, aber sein primäres Ziel ist es, möglichst viele Leute zum Fussballspiel zu bringen. Ich habe gar nichts gegen die Naturschutzansichten einzuwenden, aber niemand beginnt mit dem Fischen, weil er einen Bachlauf renaturieren will.
Aus diesem Grund bin ich auch gegen eine sture SaNa-Pflicht und alles weitere, welches den Einstieg in die Fischerei erschwert. Gastpatente und die Möglichkeit, einem Neuling die eigene Rute in die Hand zu drücken und zu sagen: «Mach mal!», dürfen bei all den Rufen nach besserer Ausbildung nicht vergessen werden. Ich als Patent- und SaNa-Inhaber stehe ja daneben und habe entsprechend die Verantwortung.
Das Denken, dass mit jedem zusätzlichen Fischer mehr Geld und schliesslich auch mehr Engagement für die Fische und deren Lebensräume zur Verfügung steht, vermisse ich noch viel zu häufig.
Und um diesen Kreis zu schliessen: Eine Schlussfolgerung davon ist nun mal, dass wir uns für mehr fangfähige Fische einsetzen müssen. Denn ohne eine aktive Bewirtschaftung der beeinträchtigten Gewässer wird der Druck auf die intakten Gewässer nur noch höher und es wird auch zusehends schwieriger, die Fischer am Wasser zu halten.
Ja, aber haben wir denn nicht bereits zu viele Fischer für unsere Gewässer?
Unsere Gewässer sind unter Druck und wir sind da ein Faktor, klar. Aber je mehr Fischer – und vor allem je mehr organisierte Fischer – wir sind, desto besser lassen sich die Gewässer gegenüber anderen Interessen verteidigen. Und wenn man sich das einstige fischereiliche Potenzial der grösseren Flüsse anschaut, da verträgt es schon noch ein paar Fischer mehr. Den Fischreichtum von damals bringen wir nicht mehr hin, da mache ich mir keine Illusionen, aber eine Fischdichte, die es erlaubt, dass man ohne schlechtes Gewissen mal einen Fisch mitnimmt, sollte eigentlich schon möglich sein. Und das eben gerade an den beeinträchtigten Gewässern.
Du fokussierst auf die beeinträchtigten Gewässer. Wie sieht dann ein intaktes Gewässer aus?
Ein intaktes Gewässer ist naturnah, die Naturverlaichung funktioniert, es hat seinen Raum, seine Biodiversität usw. Hier soll und darf alles seinen Platz haben: der Biber, der Otter, der Gänsesäger! Es ist ein funktionierendes und unversehrtes Ökosystem. Insbesondere bei den Fliessgewässern, aber auch bei einzelnen Seeabschnitten braucht es genau dafür eine Klassifizierung. Beispielsweise 3 Klassen: Klasse 1 ist völlig naturnah, es braucht keinen Besatz, keine Hege, die Sache läuft. Hier müssen höhere Mindestmasse, lange Schonzeiten, verschärfte Vorschriften usw. eine maximal nachhaltige Fischerei mit minimalem Impakt sicherstellen. Und es soll versucht werden, möglichst viele Gewässer dereinst in diesem Zustand zu haben.
Und was ist mit den Gewässern der Klasse 2 und 3?
Diese sollen, plakativ gesagt, den Fischern gehören. So wie der Wald den Grundstückbesitzern gehört oder Alpwiesen den Sennen oder so. Den Kraftwerksbetreibern gehören sie ja auch schon. In den Gewässern bzw. den Gewässerabschnitten der Klasse 2 oder 3 wird bewirtschaftet, aufgewertet usw. Hier bin ich für ein aktives Eingreifen gegen Prädatoren. Und hier sollen die Fischer ihre Fische fangen. Damit entlastet man die wichtigen, intakten Gewässer vom Fischereidruck. Mit den Hegebeiträgen ist das ja eigentlich schon aufgegleist. In Deutschland soll die soziale und ökonomische Bedeutung der Angelfischerei stärker in zukünftige Managemententscheidungen einfliessen. Dieses Denken muss dringend auch bei unseren offiziellen Stellen Einzug halten.
Stichwort Prädatoren. Was sollte da passieren?
Dass beim Kormoran endlich mal was geschieht, ist überfällig. Man nimmt in Kauf, dass sich die Fischbestände soweit verringern, bis die Kormorane weiterziehen. Doch wieviele Tonnen Felchen, Schwalen oder Egli braucht beispielsweise der Neuenburgersee, damit er als Ökosystem funktioniert und dann nicht wegen eines Stichlings oder so völlig aus den Fugen gerät? Ich bin überzeugt, dass der Bodensee nicht diese Probleme hätte, wären die angestammten Fischbestände nicht vorgängig durch Nährstoffarmut und den Fangdruck durch Fischerei und Prädatoren dezimiert worden. Nicht nur die Kormoranfreunde sahen die Fische viel zu lange als unbegrenzte Ressource an, die alles kompensieren kann. Das hat sich nun bitter gerächt.
Was mich an dieser Diskussion übrigens immer wieder stört, ist die Unterstellung, wir Fischer würden bei den Prädatoren eine Maximalposition beziehen, welche so auch die Gegenposition legitimiert: gar keine Kormorane mehr, kein einziger Gänsesäger oder Fischotter. Das stimmt so einfach nicht.
Aber wenn man den Schutz verschiedener Tierarten gegeneinander ausspielt, und das gilt insbesondere für Gänsesäger oder Fischotter, gibt es für mich ein ganz klares Kriterium.
Und das wäre?
Wie sich die Populationen entwickeln! Breitet sich ein Tier aus und hat es dabei klare Wachstumszahlen, ist dessen Schutz gegenüber demjenigen zweitrangig, welches auf dem Rückzug ist.
Ja, aber damit machen es sich die Fischer dann doch zu einfach.
Vielleicht. Fakt ist aber, dass es sich die Gegenseite, beispielsweise die Otterfreunde oder während Jahren der Vogelschutz, auch ganz gezielt sehr einfach machen.
Wie denn konkret?
Indem sie stets Beweise durch Langzeitstudien fordern und alles andere ins Reich der Spekulation verweisen. Zum Beispiel sei nicht erwiesen, dass der Fischotter dem Forellenbestand schade. Der Umstand, dass es nicht erwiesen ist, liegt aber nicht in der Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, sondern ist ein methodisches Problem. Und es ist so, dass es in einem intakten Gewässer sowohl den Otter als auch den Gänsesäger verträgt. Aber eben nicht in einem beeinträchtigten. Der Fisch kann nicht eben mal schnell den Fluss wechseln, er ist nicht standortopportunistisch wie Otter, Gänsesäger oder Kormoran, und schon gar nicht, wenn er in einem verbauten Gewässer lebt. Deswegen muss man den Fisch dort schützen können.
Ein anderes Problem mit den Langzeitstudien ist der dermassen rasante Wandel unserer Ökosysteme. Wir haben nicht 20 Jahre Zeit, um herauszufinden, unter welchen Umständen die Äsche mit dem Frassdruck der Kormorane zu Rande kommt und wo eben nicht. Und dann nochmals fünf Jahre mit einem weiteren Monitoring zu schauen, ob sich was verbessert hat.
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