Den Temperaturen ausgeliefert
23 | 08 | 2018 SchweizText: Ruben Rod & Eva Baier | Fotos: Eva Baier 07609
23 | 08 | 2018 Schweiz
Text: Ruben Rod & Eva Baier | Fotos: Eva Baier 0 7609

Den Temperaturen ausgeliefert

Diesen Sommer haben wir uns grosse Sorgen um das Leben in unseren Gewässern machen müssen. Dass diese Sorgen keine Hirngespinste sind oder politischen Überlegungen entspringen, wird auch von der Wissenschaft bestätigt. «Petri-Heil» fasst zusammen, wie Fische auf die Wasser­temperaturen reagieren und mit welchen Trends und Folgen zu rechnen ist.


Fische sind wechselwarme Tiere. Das bedeutet, dass sie keine konstante Körpertemperatur aufrechterhalten können, sondern viel mehr nahezu so warm sind, wie das sie umgebende Wasser. Somit wirken sich Veränderungen der Wassertemperatur zwangsläufig direkt auf die Fische und deren bio­chemischen und physiologischen Aktivitäten aus. Die Auswirkungen sind dennoch schwierig nachzuweisen, zumal diese je nach Altersstadium und Fischart unterschiedlich ausfallen1.


Wie Fische auf die Temperatur reagieren

Geringe Wassertemperaturen führen zu einer Verlangsamung bei den Fischen: Sie reagieren langsamer auf Reize, fangen weniger Nahrung und auch die Verdauung dauert länger. Viele Fische fressen bei tiefen Temperaturen nichts mehr und verringern ihre Aktivität. Bei hohen Temperaturen hingegen wird jegliche Aktivität beschleunigt. Es kann passieren, dass der Stoffwechsel der Tiere schneller arbeitet, als die Nahrungsbeschaffung geschieht. In diesem Fall müssen Fische ihre Fettreserven abbauen, um den Körper mit genügend Energie versorgen zu können. Und je wärmer das Wasser ist, desto weniger Sauerstoff kann im Wasser gelöst werden. Wärmestress bedeutet somit auch Atemnot für die Fische. Temperaturextreme können daher nur für eine beschränkte Zeit überlebt werden1. 


Temperaturpräferenzen der Fischarten

Die Temperaturpräferenzen der Fischarten variieren von Art zu Art sowie zwischen den Entwicklungsstadien. Analog dazu unterscheiden sich die tödlichen Ober- und Untergrenzen der Temperatur, welche das Überleben der betreffenden Arten limitieren. Und dann gibt es noch die kritischen Temperaturbereiche, in denen ein Überleben auf Kosten der Fitness und mit Einschränkungen noch möglich ist. Im Optimumbereich kann man von der uneingeschränkten Aktivität der Fische ausgehen. In der Literatur werden diese Begriffe nicht überall gleich verwendet, weshalb sich manche Angaben voneinander unterscheiden. Dazu kommt die Anpassungsfähigkeit der Fische, weshalb lokal angepasste Populationen unterschiedliche Präferenzen haben können. Die folgende Tabelle verschafft einen Überblick über das Temperatur-Spektrum von Bachforelle, Äsche, Hecht und Karpfen. Ähnlich verhält es sich auch bei anderen heimischen Fischarten.


Erwärmungstrend der Schweizer Fliessgewässer

Der Klimawandel hat einen messbaren Einfluss auf die Schweizer Fliessgewässer. Einerseits verändern sich die Abflüsse und anderseits die Gewässertemperaturen. Die Gewässer sind somit von den Auswirkungen des Klimawandels besonders stark betroffen. Der sich abzeichnende Trend weist auf verminderte Abflüsse im Sommer und erhöhte Abflüsse in den Wintermonaten hin. Verringerte Abflüsse im Sommer führen zu einer Erhöhung der Wassertemperatur, da sich eine geringere Wassermenge im Flussbett leichter erwärmen lässt. Zudem ist weiterhin mit einer Steigerung der durchschnittlichen Jahrestemperatur der Flüsse zu rechnen2. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) betreibt ein Wassertemperaturmessnetz mit 70 Stationen und konnte dadurch zeigen, dass bereits zwischen 1970 und 2010 (40 Jahre) eine Erwärmung der Fliessgewässer um 0,1 – 1,2 °C stattgefunden hat. Eine Umkehr dieses Trends ist leider nicht in Sicht, wie dieser Hitzesommer zeigt. Besonders betroffen sind die Gewässer des Mittellands4.

Zusätzlich zum Klimawandel gibt es noch weitere Einflüsse des Menschen auf die natürlichen Temperaturregime, welche die Situation verschärfen3: Einleitung von aufgewärmtem Kühlwasser (z.?B. AKWs), Wasserkraftnutzung (z.?B. Stauseen, Hochwasserrückhaltebecken, Schwall-Sunk), Wasserentnahmen (z.?B. Trinkwasser, Bewässerungssysteme) oder bauliche Veränderungen von Fliessgewässern (z.?B. Begradigungen, Entfernung von Ufervegetation).


Folgen des Erwärmungstrends

Aus Sicht der Fische kommt es bei den Auswirkungen dieser Trends besonders darauf an, welche Jahreszeit betroffen ist und welchen Entwicklungszysklus die betreffende Art hat (Laichzeit). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Trend zu allgemein höheren Temperaturen vor allem den Salmoniden schadet und die Cypriniden begünstigt1. Die bisherige Erwärmung hat nachweislich bereits zu einem Rückzug der Bachforellen um 100 – 200 Höhenmeter geführt und die Ausbreitung von Fischkrankheiten wie der proliferativen Nierenkrankheit PKD begünstigt4. Während besonders extremen Sommern stellt das komplette Austrocknen von Gewässern eine Bedrohung für alle Fischarten dar.

 Stark begradigter Fluss Kinzig (D) ohne Ufervegetation.

Stark begradigter Fluss Kinzig (D) ohne Ufervegetation.


Mögliche Massnahmen

Um die Auswirkungen der Erwärmung auf die Fische zu minimieren, gibt es verschiedene Lösungsansätze:

  • Beschattung durch die Ufervegetation fördern und erhalten.
  • Revitalisierungen sinnvoll gestalten: Erhalt von Schattenspendern und von tiefen Kolken und Strukturen als Rückzugsort, vermeiden von (zu) vielen Störsteinen im Gewässer oder ausgedehnter flacher Abschnitte, die das Wasser weiter aufheizen.
  • Durchgängigkeit herstellen, um eine freie Wanderung an kühlere Stellen zu ermöglichen. Dazu gehört auch die Anbindung von (kälteren) Seitengwässern, damit sich empfindlichere Arten dorthin zurückziehen können.
  • Die Gesetzgebung bezüglich der Einleitung von Kühlwasser verschärfen und durchsetzen.
  • Die natürliche Vermehrung der Fische ermöglichen, damit sich Populationen lokal und an höhere Temperaturen anpassen können.

Auch wenn der Klimawandel nicht (mehr) abgewendet werden kann, lohnt sich der Einsatz für die Gewässer weiterhin. Die Anpassungsfähigkeit der Natur ist nicht zu unterschätzen, doch das Leben im Wasser braucht Unterstützung, um mit den Veränderungen Schritt halten und sich anpassen zu können. Die Wissenschaft kann die Prozesse und Trends in der Natur untersuchen und dokumentieren, doch die Fakten werden von allen Menschen geschaffen und mitgestaltet. 


Quellen

  1. Küttel, S., Peter, A. & Wüest, A. (2002). Rhône Revitalisierung. Temperaturpräferenzen und -limiten von Fischarten Schweizer Fliessgewässer. Publikation Nummer 1.
  2. Vinna, L., R., Wüest, A., Zappa, M., Fink, G. & Bouffard, D. (2018). Tributaries affect the thermal response of lakes to climate change. Hydrol. Earth Syst. Sco., 22, 31 – 51, 2018, Lausanne.
  3. Bundesamt für Umwelt BAFU (2011). Expertenbericht zu einem Modul Temperatur im Rahmen des Modul-Stufen-Konzepts. BAFU (Hrsg.), Bern.
  4. Bundesamt für Umwelt BAFU (2012). Auswirkungen der Klimaänderung auf Wasserressourcen und Gewässer. Synthesebericht zum Projekt «Klimaänderung und Hydrologie in der Schweiz» (CHHydro). BAFU (Hrsg.), Bern.

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