[Fischbesatz:]<br/>Was wir von den  Bayern lernen können
28 | 02 | 2024 Schweiz | DiversesEin Vergleich von Hansjörg Dietiker 34319
28 | 02 | 2024 Schweiz | Diverses
Ein Vergleich von Hansjörg Dietiker 3 4319

Fischbesatz:
Was wir von den Bayern lernen können

Das Bundesland Bayern hat in vielerlei Hinsicht Vorbildcharakter für die Schweizer Fischerei. Am Institut für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Starnberg wird nicht nur geforscht, sondern auch in praxisbezogene Massnahmen investiert. Die Zahl der Sportfischer in Bayern wird auf das Doppelte der Schweiz geschätzt und im Bayerischen Fischereiverband sind gar viermal mehr Angler organisiert als im Schweizerischen Fischerei-Verband SFV. Dass daraus Unterschiede­ resultieren, ist nicht verwunderlich­.


Die Unterschiede zwischen den Bayern und den Schweizern zeigen sich bei der Wertschätzung der Fischerei und der Wertung des Fischbesatzes. Im Vorwort der aktuellen BAFU-Besatzbroschüre schreibt Vizedirektorin Franziska Schwarz:

Der Fischbesatz ist eine in der Schweiz weit verbreitete Bewirtschaftungspraxis, die sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt hat. Insbesondere sind wir von einem Ansatz, der hauptsächlich darauf abzielte, die Anzahl der fangbaren Fische zu erhöhen, zu einem Ansatz übergegangen, der die genetische Integrität der Wildpopulationen und die Erhaltung ihrer Anpassungsfähigkeit berücksichtigt. (…) Die Ergebnisse der in den letzten 40 Jahren in der Schweiz durchgeführten Erfolgskontrollen machen deutlich, dass Besatz auf nationaler Ebene keine nachhaltige Unterstützung der Wildfischpopulationen ermöglicht.

 Ob Besatz funktioniert oder nicht, ist vor allem auch eine Frage der Ideologie. © Chris Wittmann

Ob Besatz funktioniert oder nicht, ist vor allem auch eine Frage der Ideologie. © Chris Wittmann


Bereits im Vorwort zum gleichen Thema tönt es in Bayern ganz anders. Manfred Braun, Präsident des Landes­fischerei­verbands schreibt:

In einem unberührten Gewässer, das keinen naturfernen Einflüssen unterliegt, befindet sich der Fischbestand im Gleichgewicht. Die Natur erzeugt regelmässig einen gewissen Überschuss, der schadlos abgeschöpft werden kann. Leider finden wir auch in Bayern keine Gewässer im Naturzustand mehr vor. Der Lebensraum der Fische und die Fischbestände selbst werden seit langer Zeit durch verschiedenste Einwirkungen der menschlichen Zivilisation beeinträchtigt. Artenspektrum und Altersaufbau sind mehr oder weniger tiefgreifend gestört, ebenso die Fortpflanzung vieler heimischer Fischarten. Die Selbstheilungskräfte der Natur können die Defizite nicht ausgleichen. Die Fischerei hat den gesetzlichen Auftrag, im Rahmen ihrer Möglichkeiten für einen ausgewogenen, naturnahen Fischbestand zu sorgen. Dieses Hegeziel kann der Fischereiberechtigte vielfach nicht ohne das Aussetzen von Fischen – den Fischbesatz – erreichen. Den erforderlichen Fischbesatz schreibt das Fischereigesetz bindend vor.


Die BAFU-Erkenntnisse werden wie folgt zusammengefasst (Abstract der Broschüre zum Fischbesatz):

Die Übersicht über die Schweizer Wirkungskontrollen von Fischbesatzmassnahmen ab 1981 zeigt, dass Besatz nicht dazu geeignet ist, die Wildfischbestände nachhaltig zu stützen. Im besten Fall steigen die Fänge der Fischer. Um die Fischvielfalt in unseren Gewässern zu erhalten, wird empfohlen, diese Praxis baldmöglichst einzustellen und die Wiederherstellung der Lebensräume zu fördern. Falls Besatz dennoch beibehalten wird, sollte die Wirksamkeit überprüft und die natürliche Entwicklung der Bestände verfolgt werden. Gleichzeitig sollten die Störungsursachen ermittelt werden, um Schutz- und Verbesserungsmassnahmen der Lebensräume einzuleiten.

Bemerkenswerterweise schränkt das BAFU die Aussagekraft der wissenschaftlichen Untersuchungen in dieser Broschüre selbst ein:

Trotz technischer Fortschritte muss festgestellt werden, dass die Planung und die Durchführung vieler Wirkungskontrollen manchmal aus wissenschaftlicher Sicht mangelhaft durchgeführt werden. Dies verunmöglicht teilweise die Interpretation der erlangten Ergebnisse. (…)

 In Bayern wird den Pächtern mehr Freiraum und Verantwortung in der Bewirtschaftung ihrer Gewässer gegeben als hierzulande. © Nils Anderson

In Bayern wird den Pächtern mehr Freiraum und Verantwortung in der Bewirtschaftung ihrer Gewässer gegeben als hierzulande. © Nils Anderson


Die Erkenntnisse des Instituts für Fischerei der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft werden wie folgt zusammengefasst:

Besatzwirtschaft wird dort notwendig, wo die natürlichen Bachforellenbestände der vielerorts beeinträchtigten Fliessgewässer einer Stützung bedürfen. Insbesondere durch Querverbauungen und den Verlust geeigneter Laichhabitate kommt es zu einer Behinderung des Wanderverhaltens und letztendlich zu einer verringerten Reproduktionsleistung der Forellen. Die vielfach unzureichende Durchgängigkeit für Laichwanderungen behindert zudem den Genfluss, der langfristig für die gesunde Populationsstruktur erforderlich ist. Von Seiten der Gesetzgebung wurden konkrete Anforderungen an den Fischbesatz formuliert. Besatzfische müssen gesund sein und aus Betrieben stammen, die laufend vom Fischgesundheitsdienst oder anderweitig tierärztlich betreut werden. Ein Besatz sollte aus Beständen oder Nachzuchten erfolgen, die dem besetzten Gewässer ökologisch möglichst nahe zugeordnet werden können.

Besatz sollte aber in dem Fall nur erfolgen, wenn das Gewässer entsprechende Voraussetzungen hinsichtlich Habitatsbeschaffenheit und Nahrungsangebot bietet. Wichtig ist die grundsätzliche Eignung des Besatzgewässers hinsichtlich der Konkurrenz mit dem bereits im Gewässer befindlichen Fischbestand. Besonders im Hinblick auf das Nahrungsangebot ist auch der Besatzzeitpunkt von Bedeutung. Der Erfolg von Besatzmassnahmen ist demnach insbesondere vom Zustand des Gewässers, aber auch von der Qualität der besetzten Fische abhängig.


Das BAFU empfiehlt heute, den Besatz prinzipiell einzustellen. Zugleich schlägt es keine griffigen Massnahmen vor, um das Forellen- und Äschensterben aufzuhalten. Man sieht dem absehbaren Aussterben der Edelfische in der Schweiz entgegen und forscht munter weiter über genetische Vielfalt. Natürlich wird empfohlen, die Gewässer zu renaturieren. Diese Anstrengungen wurden in den letzten zehn Jahren noch verstärkt, unter anderem auch dank der Initiative und Unterstützung der Fischerei.

Doch jeder engagierte Fischer, jeder praxisbezogene Fischereiaufseher, jeder realistische Fischereiverwalter weiss es: Die Bachforelle ist gerade in zahllosen Fliessgewässern am Aussterben. Und unser Bundesamt veröffentlicht eine Broschüre, um die Sinnlosigkeit von Fischbesatz zu belegen. Was denn sonst – wenn kein Besatz? Darüber schweigt man sich aus. Es ist höchste Zeit, dass sich tatkräftige Fischer, Wissenschaftler, Beamte und Bewirtschafter zusammentun, um den steilen Niedergang der Forellen aufzuhalten. Machen wir uns nichts vor: Das Schweizer Vorgehen der letzten vierzig Jahre ist gescheitert. Nun müssen wir über den Rand unserer Flüsse hinausschauen. Es gibt in Europa Beispiele, wie Edelfischbestände erfolgreich gehegt werden. Forellen- und sogar Lachsbestände können wieder aufgebaut werden.

Es ist Zeit für ein praxisbezogenes Bewirtschaftungsforum mit Fischern, Experten und Fachleuten ohne Scheuklappen. Die allermeisten Kantone unterhalten nach wie vor Fischbrutanstalten. Denn Besatzfische sind ja nicht nur eine Stütze von schwachen oder inexistenten Naturverlaichungen, sondern spielen auch eine Rolle beim Initialbesatz nach Naturkatastrophen (z. B. extreme Hochwasser), menschlichen Einwirkungen (Fischvergiftungen) oder zur Pufferung von Auswirkungen des Klimawandels (Hitze, Austrocknen, Winterhochwasser). Dass dabei wissenschaftliche Grundlagen für eine optimale Besatzfischaufzucht und die Genetik bei der Muttertierhaltung berücksichtigt werden, ist heute selbstverständlich. Auch tausende von Fischern engagieren sich tatkräftig in der Hege und Pflege unserer Gewässer. Es wäre ein Schildbürgerstreich sondergleichen, jetzt die letzten Aufzuchtbäche und Sömmerlingsgräben zwischen Boden- und Genfersee aufzugeben!

 Ob Besatz funktioniert oder nicht, ist vor allem auch eine Frage der Ideologie. © Nils Anderson

Ob Besatz funktioniert oder nicht, ist vor allem auch eine Frage der Ideologie. © Nils Anderson


In Bayern wird eine zeitgemässe Bewirtschaftung der Gewässer wie folgt zusammengefasst:

Das gesetzlich verankerte Hegeziel knüpft das Recht der Fisch­entnahme an Pflichten in Bezug auf die Erhaltung bzw. Verbesserung des Gewässerlebensraumes. Ein wesentlicher Unterschied zu früheren Herangehensweisen ist dabei die Erkenntnis, dass ein funktionsfähiges Gewässer gar nicht erst besetzt werden muss. Ein solches «Juwel» gilt es im Zuge einer nachhaltigen Nutzung so zu befischen, dass die natürliche Reproduktionsfähigkeit des vorhandenen Fischbestandes nicht überfordert wird. (…)

Die Zeiten, als Besatz ohne Rücksicht auf die Gewässergegebenheiten einzig der Bereitstellung überhöhter Zielfischdichten bzw. der Herbeiführung unnatürlich hoher Entnahmemengen diente, sollten vorbei sein. (…) Statt Bestandsdefizite durch Besatz zu kaschieren, ist es allemal besser, deren Ursachen zu bekämpfen, sobald sich hier eine Chance auftut. Diesbezüglich tragen die Angler eine hohe Verantwortung.

Denn als regelmässiger Nutzer und zugleich Schützer der Natur verfügen sie an ihrem Gewässer nicht selten über einzigartige Detailkenntnisse. Wer sonst sollte also die Möglichkeiten ökologischer Verbesserungen im Gewässerlebensraum besser ausloten und deren Umsetzung besser vorantreiben können? Mangelhaft ausgebildete Teillebens- räume lassen sich oft schon mit kleinen, gezielten Massnahmen so stark aufwerten, dass sich in der Folge wenigstens ein Teil des Besatzbudgets einsparen lässt. In vorliegender Broschüre werden dem Praktiker zeitgemässe Denkansätze und Vorgehensweisen beim Fischbesatz in mit der Angel befischten Gewässern nahegebracht. Hauptaugenmerk wird auf solche Besatzmassnahmen gelegt, welche die Ertragssicherung und Aufrechterhaltung der Angelfischerei zum Ziel haben.


Liebe Fischerkollegen, liebe Mitarbeiter des BAFU: Warum fällt es uns so schwer, auch hier bei uns gemeinsam eine der heutigen Zeit entsprechende Bewirtschaftung und Wertschätzung der Fischerei anzustreben?


 

3 Kommentare


Christen Michael

01 | 03 | 2024

Vielen Dank für diesen spannenden Vergleich. Er schafft Mut und Hoffnung zugleich für due Zukunft unserer Gewässer!
Liebes Bafu, denkt bitte "outside the box"!


Kunz Peter

02 | 03 | 2024

gratuliere Hansjörg und Petri-Heil! Das Problem auf den Punkt gebracht. Mit „Punkt“ meine ich vor allem das Bafu. Wäre ev. nicht auch in diesem Amt samt Beratern eine Art „Neubesatz“ von Nöten?


Zbinden Paul

03 | 03 | 2024

Das alles was in Bayern gemacht wird ist ja längstens bei uns Fischern bekannt. Leider zählt die Meinung angeblich studierter Personen und der Politiker mehr, als das Wissen der Fischer die das Gewässer und die Habitate der Fische aus Erfahrung am Gewässer und nicht aus zweifelhaften Studien kennen.


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