Das könnte Dich auch interessieren:
Alles, was kreucht und fleucht
Ivans Top 3
18 | 04 | 2022 | Diverses | 0 | 4414 |
18 | 04 | 2022 | Diverses |
0 4414 |
Gesunde Gewässer stehen im engen Austausch mit dem Landschaftsbereich, den sie durchfliessen. Erst das Zusammenspiel der verschiedenen mosaikartigen Lebensräume im Wasser und an Land macht die Stabilität und den Reichtum des Ökosystems «Fliessgewässer» aus. Mit einer vielfältigen Begrünung des Gewässerraums kann der Wert von Revitalisierungsprojekten in vielerlei Hinsicht enorm gesteigert werden.
> Ganzheitliche Revitalisierung von Kleingewässern | Teil 1
Im Rahmen von Revitalisierungsprojekten entstehen oft grosse nährstoffarme Rohbodenflächen, welche die einmalige Möglichkeit zur Schaffung artenreicher Pflanzengesellschaften wie Magerwiesen bieten. Leider bleibt dieses Potenzial infolge unsachgemässer Ausführung oder mangelnder Budgetierung viel zu oft ungenutzt und Topstandorte verkommen zu graslastigen Kümmerbeständen ohne ökologischen Wert. Dabei wirken blühende und vielfältige Gewässerräume nicht nur dem Insektensterben entgegen, sondern schaffen auch breite Akzeptanz in der Bevölkerung durch die Aufwertung des Landschaftsbildes. Das Anlegen standortgerechter Begrünungen erfordert vertiefte Arten- und Lebensraumkenntnisse und wird am besten durch erfahrene Ökobüros oder spezialisierte Unternehmen im Umweltbereich ausgeführt. Die besten Erfolge werden dabei mittels Direktbegrünung erzielt. Dabei wird frisches Schnittgut von einer wertvollen Spenderfläche mit ähnlichen Standorteigenschaften geerntet und anschliessend auf der zu begrünenden Fläche ausgebracht. Der Zeitpunkt der Direktsaat richtet sich nach dem Moment der höchsten Samenreife von Blumen und Gräsern. Im Idealfall werden unterschiedliche Wiesenstadien berücksichtigt und spezifisches Saatgut gesammelt, um auch früh- und spätreife Arten anzusiedeln. Ein Vorteil dieser Praxis gegenüber handelsüblichen Wildblumenmischungen liegt in der Verbreitung regionaler Wildpflanzengenetik und der heterogenen Verteilung der Arten. Zudem bietet das Schnittgut Schutz vor Oberflächenerosion und schafft optimale Keimbedingungen. Der entscheidende Punkt liegt aber besonders in der biologischen Impfung der Rohböden durch mitgeführte Insekten und deren Eier, Pilzsporen und Mikroorganismen, die zu einem stabilen Ökosystem beitragen.
Als Uferkrautsaum bezeichnet man die standorttypische Feuchtvegetation entlang von Gewässern. Er setzt sich je nach Standortbedingungen aus einer Vielzahl spezifischer Blütenpflanzen und Grasarten zusammen. Typische Vertreter sind Mädesüss, Bachnelkenwurz, Blutweiderich, Sumpfschwertlilie, Gross-Seggen und Binsen, um nur einige zu nennen. Leider wird einem intakten Uferkrautsaum oft zu wenig Beachtung geschenkt, obschon er verschiedene wichtige Funktionen erfüllt:
Lebensraum | Als verbindendes Element zwischen Wasser und Land gehört der Uferkrautsaum zu den artenreichsten Lebensräumen. Teils hoch spezialisierte Insektenarten, Amphibien, Reptilien, aber auch Kleinsäuger wie die Wasserspitzmaus sind darin beheimatet.
Nahrungsgrundlage | Das reiche Blütenangebot des Krautsaums im Spätsommer ist Mangelware und für Insekten lebenswichtig. Abgestorbenes Pflanzenmaterial dient als Futterbasis für Wasserorganismen wie Bachflohkrebs, Fliegenlarven und Co., welche wiederum Fischen eine Nahrungsquelle bieten.
Reinigungseffekt | Der üppige Vegetationsstreifen wirkt als eine Art biologische Kläranlage. Nährstoffflüsse und Pestizidrückstände werden durch den Pufferstreifen aufgefangen und in organischem Material eingelagert. Zudem wirkt das bis tief ins Wasser reichende Wurzelwerk als Biofilter, welcher dank Mikroorganismen effizient zur Selbstreinigung des Gewässers beiträgt.
Schattierung | Durch seine grosse Wuchshöhe vermag der Uferkrautsaum Kleingewässer von bis 1 m Sohlbreite vollständig zu schattieren, ohne dass eine Bestockung durch Gehölze notwendig wird. In Zeiten steigender Wassertemperaturen ist dies eine wichtige Eigenschaft. Fischfressende Vögel wie der Gänsesäger werden zudem effizient ferngehalten.
Die Entwicklung einer artenreichen Krautsaumgesellschaft dauert mit gezielter Ansaat, Initialpflanzung und Pflege mehrere Jahre. Nach Möglichkeit werden daher neu gestaltete Uferpartien mit vorhandenen oder ersatzweise zugeführten Vegetationssoden (mit Bagger abgetragene Ufervegetation, etwa 10 bis 15 cm dick) ausgekleidet. Dieser Mehraufwand zahlt sich nicht nur durch die beachtliche Uferstabilisierungsfunktion aus. Bereits nach wenigen Wochen wird das Gewässer damit zu einem hochwertigen Lebensraum für Flora und Fauna.
Hecken und Einzelgehölze gehören ebenfalls zum Inventar eines artenreichen Gewässerraums. Als Verbindungselemente zwischen offenen Flächen sind sie wichtig als Rückzugsorte und Wildtierkorridore, aber auch als Dauerhabitate für Vögel, Kleintiere und Insekten. Durch Windschutz und veränderte Sonneneinstrahlung entstehen unterschiedliche Mikroklimate, welche wiederum zur Vielfalt der Artengemeinschaft am Bach beitragen. Durch eine bewusste Positionierung von Hecken und Bäumen können offene Gewässerabschnitte beschattet und instabile Uferböschungen stabilisiert werden, wobei auf artenreiche Wiesen oder Krautsäume Rücksicht genommen werden sollte. Für die Pflanzung von Wildhecken eignen sich einheimische und standorttypische Forstgehölze. Ein hoher Anteil an Dornensträuchern (Schwarzdorn, Weissdorn, Kreuzdorn usw.) und Wildrosen erhöht den Biodiversitätswert einer Heckenstruktur.
Das Bilden stabiler Vegetationsgesellschaften benötigt Zeit und braucht in den ersten zwei bis drei Jahren gezielte Pflegeeingriffe bis zur Überführung in den ordentlichen Unterhaltsturnus. Die Entwicklungspflege und ein Unterhaltskonzept inklusive Pflegeplan für die Folgebewirtschaftung sollten Bestandteil jeder Revitalisierungsplanung sein und ausreichend hoch eingerechnet werden. Ein fachgerechter Unterhalt mit Feingefühl trägt massgeblich dazu bei, dass sich der Gewässerraum zu einem dauerhaften Mosaik an artenreichen Lebensräumen entwickeln kann. Eine entsprechende Ausbildung (z.?B. Kurs Gewässerwart) schafft notwendige Kompetenzen und sensibilisiert Fachkräfte im Umgang mit diesen vielfältigen und wertvollen Ökosystemen.
> Ganzheitliche Revitalisierung von Kleingewässern | Teil 1
Keine Kommentare (Kommentare erscheinen erst nach unserer Freigabe)