09 | 08 | 2020 | Schweiz | 3 | 5017 |
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Kanton Aargau – Besatz als letzte Option?
Am Besatz von Fliessgewässern scheiden sich die Geister und je nach Kanton wird eine unterschiedliche Besatzpolitik verfolgt. Der Kanton Aargau betreibt eine bewusst minimierte Besatz-Politik, die von vielen Fischern nicht goutiert wird. «Petri-Heil» hat der Sektion Jagd und Fischerei dazu ein paar Fragen gestellt.
«Petri-Heil»: In vielen Gewässern der Schweiz wird seit Jahrzehnten Besatz gemacht. Teils kreuz und quer, und häufig besetzte man die Bäche mit dem Material, das gerade vorhanden und/oder günstig zu bekommen war. Diese Praxis war auch im Kanton Aargau gang und gäbe. Wie erklären Sie sich vor diesem Hintergrund das Vorhandensein mehrerer autochthoner Bachforellen-Populationen im Kanton Aargau?
Sektion Jagd & Fischerei Kanton Aargau: Bis zu einer gross angelegten Genetikstudie wurden die Besatzforellen von wenigen Standorten für die Nachzucht für den gesamten Kanton verwendet. Die Studie zeigte jedoch, dass die Forellen genetisch kleinräumig, fast gewässerspezifisch strukturiert sind. Für Angler, welche sich das Forellenkleid genau ansehen, ist es bekannt, dass sich die Forellen unterschiedlicher Gewässer oft stark unterscheiden. Zusätzlich durchgeführte Erfolgskontrollen von Besatzmassnahmen sorgten vielerorts für überraschende Resultate. Diese bestätigten grundsätzlich, was die Angler über die Jahre selbst beobachten konnten. Die Erträge der Forellen nahmen trotz der teils intensiven Besatzmassnahmen weiter ab. Die wenigen Fänge stammten praktisch ausschliesslich aus der Naturverlaichung, auch in Gewässern, welche grosse ökologische Defizite aufweisen und wo die natürliche Fortpflanzung teils stark eingeschränkt ist. Aufgrund dieser Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass die jahrzehntelangen Besatzmassnahmen wenig erfolgreich waren, dagegen die ursprünglichen, autochthonen Populationen erhalten blieben.
Der Niedergang der Forellenpopulationen lässt sich seit den 1970er-Jahren beobachten. Damals waren viele Gewässer in einem schlechteren Zustand als heute: Verbaut, kanalisiert und mit schmutzigem, aber sehr nährstoffreichem Wasser voller Insekten und anderen Kleinlebewesen. Dass es unter diesen Umständen auch Besatzforellen einfacher hatten zu überleben, scheint einleuchtend. Heute gehen die Artenvielfalt wie auch die Biomasse der Wasserinsekten rapide zurück. Kann sich daraus der abnehmende Erfolg der Besatzforellen teilweise erklären lassen?
Die Umweltbedingungen verändern sich schnell und teils sehr stark. Die durchschnittlich 2 Grad höheren Wassertemperaturen in den letzten 60 Jahren bringen die kälte- und sauerstoffliebenden Forellen immer stärker unter Druck. Ob sich die Chancen der Forellen durch eine verbesserte Situation bei den Wasserinsekten verbessern würde, kann nicht abschliessend beantwortet werden. Die Aufwertung der Lebensräume unter Berücksichtigung der spezifischen Habitatansprüche der Forelle zahlt sich hingegen in jedem Fall aus.
Gibt es aktuell Gewässer im Kanton Aargau, die seit jeher – oder zumindest seit geraumer Zeit – ohne Besatz auskommen und namhafte Bestände aufweisen und wo man also von einer funktionierenden Naturverlaichung sprechen kann? Und gibt es dazu Referenzstrecken mit Besatz, die schlechter funktionieren?
Die besten Forellenbestände sind im Kanton Aargau in Gewässern vorhanden, welche seit vielen Jahren nicht mehr besetzt werden. Diese Gewässer bieten der Forelle einen attraktiven Lebensraum mit hoher Lebensraumqualität und guten Voraussetzungen für die Naturverlaichung. Es sind in der Regel auch Gewässer mit guten Beständen an Groppen, welche nie bewirtschaftet wurden. Die innerartliche Konkurrenz mit Besatzfischen wird oft unterschätzt. Mit dem Besatz wird in das natürliche System eingegriffen. Dies kann sich sogar kontraproduktiv auswirken, die Forellenfänge gehen zurück. Mit Beginn der neuen Pachtperiode 2018-2025 wurde die Bewirtschaftung im Kanton Aargau aufgrund des aktuellen Kenntnisstands angepasst. Mit Ausnahme der grossen Flüsse und einem Bach werden keine Forellen mehr besetzt. Diese Umstellung wird unter engem Einbezug der Angler begleitet. Die gewonnenen Erkenntnisse werden mit der Fischereikommission diskutiert und in die Ausgestaltung der kantonalen Besatzpolitik einfliessen.
Fasst man die klimatischen Veränderungen der letzten Jahre ins Auge: Mehr Winterhochwasser, punktuell heftigere, dafür seltenere Niederschläge, höhere Wassertemperaturen, extreme Trockenheit, so gibt das keine gute Perspektive. In der Kombination mit Unfällen (Gülle, Zementwasser u. Ä.) und dem stetigen Ausbreiten von Prädatoren und der immer intensiveren Gewässernutzung durch uns Menschen schwinden die Chancen auf regelmässige Erfolge bei der Naturverlaichung auch bei bestem Genmaterial und gutem Laichhabitat zusehends.
Ist hier die reelle Gefahr eines Aussterbens nicht viel höher zu gewichten als die «potenzielle Gefahr» von Besatzfischen? Zumal diese (wenn die Elterntiere aus dem Wildbestand sind) bei gutem Handling ja durchwegs auch positive Effekte auf den Wildbestand selbst haben können.
Durch Besatzmassnahmen können die Bestände der Forellen in Gewässern, welche keinen Lebensraum mehr für diese Art bieten, nicht erhalten werden. Die Situation zeigt sich in den beiden Seeausflussgewässern Suhre und Aabach sowie den grossen Flüssen, wo die Forelle aufgrund der hohen Wassertemperaturen aber auch aufgrund der zunehmenden Konkurrenz zu vielen anderen vorkommenden Fischarten immer mehr unter Druck kommt. In diesen Gewässern wird versucht, Massnahmen umzusetzen, um die natürliche Fortpflanzung sowie den Lebensraum für die Forelle gezielt zu verbessern. Dadurch soll ermöglicht werden, dass sich die autochthonen Populationen an die sich verändernden Umweltbedingungen anpassen können.
Bewirtschaftungsanlagen kosten Geld und sind sehr betreuungsintensiv und unterliegen in vielen Kantonen einem latenten Spardruck. Am liebsten würden die Politiker das Geld für die Zuchtanlagen ja gleich ganz einsparen. Und je weniger Besatz getätigt wird und je lauter proklamiert wird, dass es eh nichts bringt, desto mehr dürfte sich dieser Effekt verstärken. Und wenn keine Aufzuchtanlagen mehr da sind, kann auch nichts mehr unternommen werden bei einem Populationsausfall, dessen Wahrscheinlichkeit ja zunehmend steigt. Was ist die Meinung des Kantons Aargau hierzu?
Bei einem Populationsausfall gibt es durchaus Alternativen für die Zuchtanlagen. Bei Gewässerverschmutzungen mit Fischsterben in einem Gewässer ohne Vernetzung zu verschonten Beständen im Oberlauf und/oder Seitengewässern kann das Gewässer durch einen Initialbesatz von Forellen aus Nachbargewässern wiederaufgebaut werden. Das vorhandene Knowhow der Zuchtanlagen sollte auf jeden Fall erhalten bleiben. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Infrastruktur zu nutzen, z. B. für andere, stärker gefährdete Fisch- und Krebsarten.
Gewässeraufwertungen und strukturelle Verbesserungen werden als die langfristig erfolgreichste Massnahme zur Bestandesverbesserung propagiert. Dies ist ja oft auch nicht von der Hand zu weisen. Aufwertungen sind aber kostenintensiv, bürokratisch anspruchsvoll und oft Sache von Planungsbüros, die bekanntermassen auch nicht vor Fehlern gefeit sind. Die Fischer hingegen sehen sich immer wieder zu wenig integriert und vor vollendete Tatsachen gestellt, was ja unter anderem im «Tatort Bach» des Aargauer Autors Roland Herrigel prominent thematisiert wird. Wie wird diese Schwächung des «nicht-standardisierten Expertenwissens» der Hobbyfischer beurteilt?
Das Knowhow lokaler Angelfischer ist extrem wertvoll. Die Sektion Jagd und Fischerei stellt erfreut fest, dass sich immer mehr Angler für den Lebensraum der Fische und dessen Aufwertung interessieren und sich im Rahmen von «Fischer schaffen Lebensraum» einsetzen. Der Erfolg dieser Massnahmen ist bekannt. Bei grösseren Projekten versucht die Sektion Jagd und Fischerei, auch die Interessen der Angelfischer entsprechend einzubringen.
Die Hobbyfischer finanzieren einen Grossteil der Löhne für Fischereiverwalter und -aufseher. Mit den Forellen- und Äschenbeständen sind auch die Erlöse aus den Fischereibewilligungen gesunken. Wie kann diese Abwärtsspirale aufgehalten werden?
Die Höhe der Pachtzinsen der Fischereireviere wird von politischen Instanzen festgelegt. Es trifft zu, dass sich die Fischerei auf Forellen und Äschen auf einem tiefen Niveau befindet. Das neue Gewässerschutzgesetz von 2011 bildet eine wichtige Grundlage, um die erkannten Probleme anzugehen und die Situation für die Gewässer und die Wassertiere zu verbessern. Auch die Fischerei verändert sich. Andere Arten wie z. B. der Wels profitieren, und immer mehr Hobbyangler schätzen auch andere Fischarten. Für viele Angler steht weiterhin nicht primär der Ertrag im Vordergrund, sondern das Erlebnis in der Natur.
Besatz-Fakten
Wenn die Naturverlaichung ausreichend funktioniert, braucht es keinen Besatz.
Der Besatz, falls er gemacht wird, sollte wann immer möglich mit Elterntieren aus der Population selbst erfolgen.
Je früher ein Besatztier eingesetzt wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass es mit den Bedingungen im Gewässer gut zurechtkommt.
Die Ausgangslage ist fast schweizweit dieselbe: Früher gab es einen guten Bestand an Forellen, heute nicht mehr.
3 Kommentare
Antworten an: Dani
Heinz | 09 | 02 | 2024 |
Hallo Dani
Ich kann dir da nur zustimmen. Was leider die heutigen jungen Akademiker nicht wissen, dass die ersten Forellen und Aeschen in den 60iger Jahren aus Besatz stammt. Damals konnte man diese nicht mal essen, sie stanken nach Diesel und dergleichen. Eine Naturverlaichung gabs gar nicht und trotzdem war ein solider und guter Salmonidenstamm in den Flüssen vorhanden. Mit dem Aufkommen der Kormorane und Säger und natürlich durch die immer grösseren Mengen an Pestiziden etc.. nahm der ganze Fischbestand ab, vor allem jedoch die Salmoniden. Der Besatz konnte dann dieses Defizit nicht mehr ausgleichen - dies jedoch auf den Besatz zu schieben, mit den Worten " Der Besatz ist erfolglos" grenzt an eine grenzenlose Unwissenheit. Zudem nimmt man sich nicht mal die Mühe die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vergleichen und den Fehler zu finden. Solange wir solche Akademiker in den Verwaltungen haben, welche so wenig Ahnung haben, ist der Fischrückgang nicht zu stoppen.
Baur | 02 | 03 | 2024 |
So ein Blödsinn! Von Wegen werden Fischer in ihren
Ideen bezüglich Renaturierung
und vor allem Revitalisierung
unterstützt! Für einen Wurzelstock Einbau mit Gesamtkosten von lumpigen
2000 Fränkli, hätte der Inhaber
des Fischereirechts selbst 1000.- übernehmen sollen!!!
Der Kanton meint wohl:
Fischer schaffen Lebensräume aber auf EIGENE Kosten!!!
Dani
Man fängt zur Laichzeit die Tiere zum Abstreifen zwecks künstlicher Aufzucht und besetzt diese Sömmerlinge dann in Massen. Aufgrund der Verschlammung durch die Wasserkraftwerke finden Salmoniden keinen Schottergrund mehr um zu laichen. Und noch dazu gehört der Kormoran, welcher in der gesamten nördlichen Hemisphäre eine Plage darstellt, von der Geschütztenliste gestrichen. Der Kormoran ist keineswegs bedroht. Die Salmoniden im Mittelland jedoch praktisch schon ausgestorben. Das Ausland macht es schon seit Jahrzehnten vor, wie es geht! Aber wir müssen uns solches Geschwätz von diesen Beamten und Experten hier anhören.. Wir haben die Lebensräume der Edelfische schlicht und einfach kaputt gemacht! Aber sogar um die Pestizidverbots- und die Trinkwasserinitiative anzunehmen, war das Stimmvolk noch zu dämlich! Adieu edle Äschen und Bachforellen, Hallo verpilzte, egelbefallene , stinkende Schlammfische.. Und die Fischer die jährlich Millionen für ihr Hobby ausgeben, kriegen keine beachtenswerte Lobby zusammen. Wer kann muss Hunderte Kilometer ins Ausland fahren um dem bürokratischen, ökologischen Elend hier zu entkommen.