03 | 03 | 2021 | Schweiz | 2 | 10916 |
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Kanton Bern – Vorfreude auf die Eröffnung?
Der 16. März ist für die Fischer im Kanton Bern ein heiliger Tag; endlich geht die Forellensaison los! Doch auch im zweitgrössten Kanton des Landes ist seit vier Jahrzehnten ein markanter Forellenrückgang zu beklagen.
Der Forellenrückgang im Kanton Bern ist seit Beginn der 1990er-Jahre augenfällig. Noch knapp ein Viertel der einstigen Zahl an Bachforellen fand in den letzten Jahren den Weg in die Fischfangstatistik. Insbesondere in den tiefergelegenen Gebieten ist die Bachforelle als einstiger Leitfisch der Fliessgewässer fast ganz verschwunden und an ihrer Stelle sind jetzt Barben und Alet die dominierenden Fischarten. Hinzu kommt, dass sich die Bedingungen in den letzten zehn Jahren dramatisch akzentuiert haben. Insbesondere 2018 und 2019 sorgten für klimatische Ausrufezeichen: Das Jahr 2018 gilt als das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen; der Wassermangel liess viele Gewässer austrocknen und erforderte einen grossen Effort bei den Abfischungen und Umsiedlungen der Fische. Auch 2019 brachte einen extrem heissen Sommer, immerhin mit etwas mehr Niederschlag. Die Abfischungskampagne des Berner Fischereiinspektorats zeigt, welche Auswirkungen diese beiden Sommer auf die verschiedenen Fliessgewässertypen hatte.
Mittelland-Gewässer
Bei den Mittelland-Gewässern des Kantons Bern zeigt sich, dass mit der Grösse des Gewässers die Forellendichte abnimmt und Alet, Barbe und weitere Fischarten dominieren.
Als Beispiel dient hierfür die auf weiten Strecken malerisch anzusehende Alte Aare. Diese Strecke des ursprünglichen Flusslaufs der Aare zwischen Aarberg und Büren an der Aare hat eine langsame Strömung und ist eines der arten- und individuenreichsten Fliessgewässer im Kanton. Bachforellen werden mittlerweile fast nur noch in den schneller fliessenden Strecken bei Aarberg und Lyss gefangen. Unterhalb der ARA Lyss bis Dotzigen werden praktisch keine Forellen gefangen. Im Jahr 2018 fanden 44 Bachforellen den Weg in die Fangstatistik.
Etwas anders sieht es bei der Urtene aus. Dieser rund 19 Kilometer lange Emmezufluss ohne nennenswertes Gefälle durchfliesst den kleinen und grossen Moossee. In der Urtene dominierten in der Abfischung 2019 zahlenmässig die Bachforelle und die Stichlinge. Weitere in der Urtene festgestellte Arten sind Alet, Groppe, Äsche, Barbe, Rotauge und Schmerle. Die Bachforellenpopulation zeigte, wie schon bei der Abfischung des Jahres 2015, einen guten 0+ Bestand, jedoch einen auffallend geringen Anteil an 1+ und 2+ Fischen. Für diese Alterspyramide kommt entweder ein hoher Befischungsdruck oder aber eine erhöhte Mortalität in Frage. Als langsam fliessendes Gewässer ist die Urtene anfälliger für hohe Wassertemperaturen und entsprechend verbreitet ist die proliferative Nierenkrankheit PKD.
Gar nicht gut sieht es bei den Belper Giessen aus. Die Giessen sind von Grundwasser gespeiste Flussnebenläufe der Aarelandschaft zwischen Thun und Bern. Sie bilden natürliche Überschwemmungsgebiete und eine reich strukturierte Auenlandschaft mit hoher Artenvielfalt.
Bis Mitte der 1990er-Jahre gehörten sie zu den fischreichsten Gewässern des Kantons. Heute sind Bachforelle und Äsche sozusagen verschwunden. Es dominieren Schmerlen, begleitet von Barben und vereinzelten Hechten und Schneider. Insbesondere der trockene Hitzesommer 2018 dürfte den Fischen arg zugesetzt haben, denn was die Nährtiere und Wasserqualität anbelangt, sind die Werte der Giessen zufriedenstellend. In der ganz in der Nähe fliessenden Gürbe wurden 2018 noch 410 Bachforellenfänge offiziell vermeldet. Die Belper Giesse ist ein exemplarisches Beispiel, wie die klimatischen Veränderungen hin zu wärmeren Gewässern sowohl Artenzusammensetzung als auch Fischmasse massgeblich schmälern. Überdies dürfte auch der sich hier neu angesiedelte Fischotter negativ auf die Bachforellenzahlen auswirken.
Im Mittelland findet man die noch besten Forellenpopulationen in kleinen, stark bewachsenen oder beschatteten Nebengewässern, also den klassischen Aufzuchtgewässern, während mit zunehmender Breite und Sonnen-Exposition die Friedfische dominieren.
Jura und Hügelland
Etwas anders sieht es im Hügelland aus. Mittlere Fliessgewässer, wie die Langete im Oberaargau, die sich aus vielen kleinen Zuflüssen aus Tobeln und kleinen Tälern speist, sind, sofern sie über einen durchgehenden Baumbewuchs verfügen, noch immer hauptsächlich die Heimat der Bachforelle. Unterhalb Roggwil mündet die Langete in die Murg, die ebenfalls im Rahmen der Kampagne kontrolliert wird. Die Murg ist im Vergleich ein sehr fischreiches Gewässer, zahlenmässig überwiegen Barbe, Groppe und Elritze. Bachforellen und Äschen sind in der Murg wie in der Aare selbst deutlich seltener geworden. 2019 sind hier auf 100 Meter 520 Fische festgestellt worden. Die Bachforelle ist jedoch fast verschwunden. Wurden Anfang der 1990er-Jahre auf 100 Meter noch mehr als 60 Forellen erfasst, so verharrt deren Zahl seit der Jahrtausendwende im einstelligen Bereich.
Im Vergleich noch immer gut sieht es im Berner Jura aus. In den beiden Hauptgewässern, der Schüss (Suze) und der Birs (Birse) sind die Bachforellen verbreitet anzutreffen, wenn auch die Fänge keineswegs mehr mit denen Anfang der 1990er-Jahre zu vergleichen sind, als auf den 42 Kilometern der Schüss im Jahr 1992 knapp 16?000 Bachforellen gefangen wurden, was einer massigen Forelle auf knapp drei Meter Flusslauf entspricht. Mittlerweile sind es mit rund 1700 Fischen noch etwa 10 Prozent des damaligen Rekordwerts. Aus der Birs wurden im Jahr 2018 noch 1300 Fische in die Statistik eingetragen. Im untersten Abschnitt der Schüss wurden früher gelegentlich aus dem Bielersee aufgestiegene Seeforellen gefangen, doch ist deren Zahl stark rückläufig.
Die Schüss ist im langjährigen Vergleich ein Spitzengewässer hinsichtlich Dichte und Biomasse, obwohl sie mit Bachforelle und Groppe nur zwei Fischarten aufweist. Die Abfischung 2019 ergab allerdings auch hier einen unterdurchschnittlichen Bestand im langjährigen Vergleich.
Bergbäche
Die verschärften Wetterbedingungen sind auch in den Fliessgewässern des Berner Oberlands spürbar. Vor allem die punktuell extrem starken und langanhaltenden Starkniederschläge sorgen immer wieder für Rückschläge. Murgänge nehmen tendenziell zu und vermögen die Fischpopulation eines Baches innert Minuten auszulöschen. Diese extremen Hochwasser kontrastieren mit einer generellen Niederschlagsarmut und einer verkürzten Schneeschmelze. Andere Faktoren, wie die Wassertemperatur und die allgemeine Wasserqualität, sind eigentlich in Ordnung. Was die Hochwasser noch verstärkt, ist die zunehmende Verdichtung der landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen. Die Böden funktionieren zusehends weniger gut als Wasserspeicher, der Niederschlag fliesst oberflächlich ab. Einer der im Rahmen der Abfischungskampagne untersuchten Bäche ist der Chirel, ein gut zwölf Kilometer langer Gebirgsbach im Diemtigtal. Er entspringt auf 1400 m ü. M. und fliesst in Richtung Norden durch zum grössten Teil bewaldetes Gebiet, bis er bei Horboden den wasserreicheren Fildrich erreicht.
Die Abfischkampagne 2019 brachte hier vergleichsweise wenige Bachforellen. Grosse Exemplare fehlten, der Anteil Jungfische (0+) war ebenfalls bescheiden, doch sind noch immer etwa 50 Fische pro 100 Meter anzutreffen. Im langjährigen Vergleich macht sich in den Bergbächen auch ihre intensivierte Nutzung durch Wasserkraftwerke bemerkbar, welche mit zu tiefen Restwassermengen, starkem Schwall und Sunk-Gefälle und einer Störung des Geschiebehaushalts die Lebensbedingungen der hier ansonsten noch gut zurechtkommenden Forellen schmälern. Als ebenfalls in neuerer Zeit gehäuftes Phänomen treten Winterhochwasser auf, welche die Erfolge der Naturverlaichung empfindlich beeinträchtigen. Die Berner Bergbäche Kander, Lütschine, Simme, Hasliaare und ihre Zuflüsse weisen zwar ebenfalls einen merklichen Fangrückgang seit den 1990er-Jahren auf, doch sind die Rückgänge keinesfalls so dramatisch wie im Mittelland.
2 Kommentare
Marco Leu | 13 | 06 | 2023 |
Ich habe ungefähr vor 5 Jahren mit dem Berufsfischer vom Brienzersee telefoniert, er sagte ganz klar,! der Fischrückgang kommt von zu wenig Nahrung in den Seen und Flüsse da war ich voll seiner Meinung. Sie wollten ein Pilotprojekt starten, so dass die Menge von *Kleintierwesen Nahrung* wieder gewährleistet ist, leider wurde das abgelehnt . Die Wetterbedienungen, haben sicher einen grossen Einfluss, aber das saubere Chemieglürliwasser, wie man so schön sagt bringt dem Fischbestand reichlich wenig.
Michael Dürst
Danke für den informativen Bericht. Nicht wirklich erbauliche Lektüre. Wichtig zu dokumentieren dass eben auch die Bergbäche betroffen sind, wenn auch durch eine andere Kombination von Faktoren. Was mich in diesem Zusammenhang traurig macht, ist der Umstand dass mit dem oberen Teil des Steinwassers nun (einmal mehr) eine der letzten natürlichen Bachabschnitte im Kanton der Nutzung geopfert wird. Im Zuge des Projektes Triftsee wird nun auch der bislang verschont gebliebene obere Teil des Steinwasser gefasst, unterhalb der Kehre Steingletscher, so dass es für Touristen weniger sichtbar ist... Ich war gerade letzten Sommer oberhalt der ersten Sperre fischen und hatte mich noch gefreut über die ursprüngliche Schönheit des Baches. Wie üblich in der Schweiz wird das mit Kompensationsmassnahmen ausgeglichen. Leider lässt sich der Verlust einer ursprünglichen Baches nicht mit Massnahmen im unteren Bereich (Gadmen) wettmachen, auch wenn die Durchgängikeit erhöht wird durch den Rückbau einer Fassung.