08 | 07 | 2016 | Schweiz | 2 | 10851 |
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Mit der Fliege im Tal des grünen Wassers: Verzasca!
Vielen Tessiner Fans schlägt das Herz schneller, wenn sie den Namen Verzasca hören: Das wild-romantische Tal ist ein Eldorado für Wanderer, Taucher, Biker – und natürlich Fischer. «Petri-Heil»-Redaktor Erich Bolli hat den zauberhaften Fluss mit Mauro Guidali, dem neuen Präsidenten des Fliegenfischerclubs Tessin, für Sie erkundet.
Die befischbare Verzasca beginnt als sprudelnder Gebirgsbach oberhalb Sonogno und fliesst im atemberaubend schönen Bergtal durch ausgewaschene Felsformationen rund 20 km an den malerischen Dörfern Frasco, Gerra, Brione und Lavertezzo vorbei bis in den Stausee bei Vogorno. Dabei wächst die Verzasca zu einem Gebirgsfluss mit unzähligen reissenden Zügen und ruhigen Pools heran – wo begehbar, sind das alles erstklassige Stellen zum Fischen. Dazu kommen die Bäche aus den Seitentälern, die ebenfalls gute Forellenbestände enthalten, allerdings mehrstündig erwandert werden müssen. Also wo mit Fischen beginnen?
Das Wasser «lesen»
Da wir mit der Fliegenrute unterwegs sind und etwas Platz zum Werfen möchten, entschliessen wir uns für eine Stelle in einem eher flachen Flussabschnitt oberhalb von Lavertezzo. Eigentlich hoffen wir darauf, dass der legendäre Schlupf der grossen Steinfliege schon eingesetzt hat. In der zweiten Junihälfte finden in den Tessiner Gebirgsflüssen rund zwei Wochen lang wahre Fressorgien statt und die Forellen stürzen sich auf alles, was einer frisch geschlüpften Steinfliege auf der Wasseroberfläche ähnlich sieht.
Wir finden einige Panzer von geschlüpften Steinfliegenlarven auf Steinen und an Sträuchern am Ufer und versuchen es mit einer schwarzen Steinfliegenimitation, gebunden von Mauro. Doch der grosse Schlupf bleibt aus, ebenso die Bisse auf die Imitation. Das Wasser ist für diese Jahreszeit noch ungewöhnlich kalt. Vielleicht ist das die Erklärung für die Verspätung des Steinfliegenschlupfs? Da hier zudem recht viel Wasser daherschiesst und den Forellen das Steigen zu vermiesen scheint, beschliessen wir, es im Oberlauf der Verzasca bei Sonogno, wo das Wasser weniger hoch ist, zu versuchen.
Am neuen Platz nehmen wir dann bei einem ruhigen Pool sogleich Aktivität an der Wasseroberfläche wahr: Die Fische sind da und suchen sich Nahrung! Wir bemerken, dass wir von zahlreichen Sedges umflattert werden. Also Fliege wechseln und los gehts!
Die ersten Bisse kommen rasch und oft unerwartet, da wir im schäumenden, um Steinbrocken quirrlenden Wasser weder die Fische noch die Steigringe sehen. Es geht also darum, das Wasser gut zu lesen, das heisst das Auge dafür zu schärfen, wo eine hungrige Forelle stehen und auf Beute warten könnte: In den Ruhezonen hinter Steinen – der Klassiker – aber auch vor Steinen, wo sich die Strömung teilt oder in Verengungen, wo ein Zug zwischen Steinbrocken eingezwängt und beschleunigt wird. Nicht selten stehen gerade an diesen Stellen schöne Forellen.
Präzision beim Wurf
An solche Stellen muss die Fliege hin! Rascher gesagt als gemacht, da meistens ein starker Lauf zwischen Fischer und Forelle durchfliesst und mit einem passenden Mending-Trick überbrückt werden muss, um ein paar Sekunden zu schinden, bevor die Schnur von der Strömung erfasst und die Fliege abgetrieben wird. Das Gute ist, dass sich die Gebirgsforellen von klein auf gewohnt sind, rasch zubeissen zu müssen, denn der Naturfliege geht es ähnlich wie der künstlichen Fliege – auch sie wird rasch abgetrieben. Wir bringen die Fliege zum Ziel mit relativ schnellen Würfen mit enger Schlaufe.
Dann ist es Zeit zum Mittagessen. Die Polenta con Brasato im Grotto «Efra» bei Sonogno, serviert vom freundlichen Wirtepaar Debora und Luca, schmeckt köstlich, der Merlot ebenso.
Beliebte Sedges
Nach dem Essen erweist sich der Wechsel von der verschmähten Steinfliege auf Sedges bei den Verzasca-Forellen als Renner. In ruhigen Pools kommen die möglichst naturnahen Nachbildungen zum Einsatz, im bewegten Wasser genügt aber die gut sichtbare Parachute-Version einer Sedge in recht grosser Ausführung (etwa Hakengrösse 10).
Phasenweise bringt fast jeder gelungene Wurf einen Biss. Hinter jedem Stein scheint eine Forelle zu warten. Ich kann kaum glauben, dass es in diesem Fluss derart viele Forellen gibt.
Wo sind die grossen Forellen?
Unter einheimischen Fischern hat die Verzasca den Ruf, viele kleine, aber wenig grosse Forellen zu enthalten. Unser Fischertag bestätigt das nicht unbedingt. Zwar fingen wir in der Tat viele Kleine bis um die 24 cm (Fangmass), aber immerhin verloren wir im Lauf des Tags mindesten drei Grössere, die deutlich über 30 cm waren. Die Verzasca muss demzufolge auch einige Grosse beherbergen.
Zur These, dass es viele kleine, aber wenig grosse Forellen gibt, stehen sich zwei Erklärungen gegenüber. Die einen sind der Ansicht, die Verzasca bringe dermassen sauberes, d.h. nährstoffarmes Wasser, dass die Forellen wegen Nahrungsmangel einfach nicht grösser würden. Dem gegenüber steht die Auffassung, dass bei günstigen Verhältnissen, etwa nach starkem Regenfall bei angetrübtem Hochwasser, die «Pescatori al tocco» (Tippfischer) ihre Chance jeweils wahrnehmen und mit dem Wurm innert kurzer Zeit zehn massige Forellen (Tageslimit) aus den tiefen Löchern holen. Wenn das regelmässig viele Tippfischer machen, würden die Massfische laufend abgefischt.
Wenn dies zutrifft, wäre es an der Zeit, dass man sich im Tessin ernsthaft Gedanken über eine Senkung des hohen Tageslimits und eine Anhebung des tiefen Fangmindestmasses machen würde.
2 Kommentare
Erich Bolli | 02 | 02 | 2021 |
Servus Michael. Angelscheine für Touristen gibt unteres für 2 und 7 Tage in den meisten Fischereiartikelgeschäften und Touristenbüros des Kantons Tessin. Die Angelscheine sind für alle Gewässer des Kantons gültig. Preise und weitere Info unter: Angelerlaubnisschein/bellinzonese-altoticino.ch
Michael Prachensky
Wunderschöne Landschaft - wo erhalte ich eine Fischerkarte?
DI Michael Prachensky: Obmann des Fischereivereins Seefeld in Tirol