12 | 02 | 2020 | Diverses | 0 | 5011 |
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Persönliches Projekt
Das neue Jahr hat schon ziemlich Fahrt aufgenommen. Zeit, um alle halbherzigen Vorsätze über Bord zu kippen. Vorsätze, die man eh nur gefasst hat, um Fischers Frau – oder sonst wem – zu gefallen: Regelmässiger ins Fitness-Center gehen, weniger Bier trinken, mehr mit der Familie unternehmen oder – noch schlimmer – weniger Geld für Tackle ausgeben. Was soll dieser ganze Scheiss? Das hält niemand länger als vier Wochen durch.
Reden wir Klartext: Jetzt kommt die Zeit, wo man sich wieder voll und ganz seinem «PP» widmen kann, seinem persönlichen Projekt. Welches ist Deins? Endlich mal einen Meterhecht an den Haken kriegen? Oder eine ganz neue Fischerspur in Dein Leben legen: Mit Welsangeln beginnen zum Beispiel? Oder noch schwieriger: Den Angelkeller ausräumen und Dich vom alten Material trennen?
Mein eigenes «PP» hat mich schon etliche Male an den Rand der Verzweiflung gebracht. Seit gut sechs Jahren arbeite ich jetzt dran. Und letzten Herbst hab ichs um Haaresbreite geschafft. «Sailing & Fishing» nenn ich es, mein persönliches Projekt. Das Ziel: Mit der Schlepprute vom fahrenden Segelschiff aus einen «Big Fish» zu fangen. Aber Achtung: Nicht in tropischen Gewässern, wo die metrigen Mahi Mahi nach allem schnappen, was du hinter dem Schiff herziehst. Nein, hier bei uns im Mittelmeer oder im wilden Atlantik der Bretagne. Für mich wäre dies die Traumhochzeit meiner beiden Leidenschaften: Hochsee-Segeln und Fischen.
Auf meinem allerersten Törn hatte ich einen Biss. Zwischen Mallorca und Ibiza. Sieben Windstärken und Wellen so hoch wie Einfamilienhäuser. Die Hälfte der Crew am Kotzen, als meine Multirolle plötzlich zu knattern beginnt – und sich gefährlich schnell leert. Vielleicht hab ich die Bremse einen Tick zu abrupt zugedreht, aus Angst, plötzlich keine Schnur mehr zu haben. Ein kurzer Ruck, und der Spuk ist vorbei.
Wie gesagt: Das ist sechs Jahre her. Und seither verfolgt mich mein «PP» bis in den Schlaf. Du machst Dir keine Vorstellung, mit welchen Schwierigkeiten ich zu kämpfen habe: Köder finden, die bei sieben Knoten Speed noch schön laufen. Rutenhalter, welche den verdammten Zug aushalten. Rollen, die so viel Schnur fassen, dass Du Zeit hast, das Segelschiff für den Drill klarzumachen.
Aber das grösste Problem ist, überhaupt mal wieder einen Biss hinzukriegen. Ich rede hier nicht von Makrelen, die man an einer Handleine unbemerkt hinter dem Schiff herschleppt, bis sie halbtot sind. Und auch nicht von unterarmlangen Bonito Tunas. Obwohl diese glänzenden Torpedos ziemlich Druck machen können. Das Tackle habe ich schon mehrfach umgestellt: Eher feine Rute und leichte Rolle, dafür hoher Drillspass, vor allem bei kleineren Fischen. Aber eben: Mein «PP» ist und bleibt ein echter «Big Fish».
Letzten Herbst ist es endlich soweit. Meine Horrorvorstellung ist immer: Wenn der Biss kommt, sitze ich auf der engen Schiffstoilette am Kacken. Diesmal bin ich zum Glück nur am Tee Kochen, als Fischers Frau Alarm schlägt: «Fisch, Fisch, schnell!» Als ich hochstürze, ist die Rolle bereits halb leer. Jetzt nur nichts falsch machen. Vorsichtig ziehe ich die Bremse etwas zu und nehme Kontakt auf. Jawoll! Das ist ein «Big Fish». Kräftiger Widerstand, aber der Haken sitzt. Meine Knie schlottern: Jahrelang habe ich auf einen solchen Moment hingearbeitet.
Das Drill-Erlebnis ist mit nichts zu vergleichen. Doch als ich den armlangen Tuna endlich beim Schiff habe, mache ich im Stress den klassischen Anfängerfehler: Lasse die Bremse zu, statt sie zu öffnen. Und vor allem: Ziehe die Rute hoch, statt sie zu senken. Knacks! Die feine Rute bricht. In letzter Verzweiflung versuche ich, den Fisch am Vorfach von Hand zu landen. Aber der kräftige Kerl schüttelt sich ab und taucht weg.
Die gute Seite: Ich darf eine neue Rute kaufen. Diesmal wieder eine kräftigere. Und vor allem: Für dieses Jahr muss ich mir kein neues «PP» suchen. Bei Deinem eigenen Projekt wünsch ich Dir viel Erfolg. Bleib dran!
Steff Aellig ist Psychologe und arbeitet als Wissenschaftsjournalist. In seiner Kolumne schreibt er über die Abgründe seiner Angel-Sucht – und findet heraus, was ihn in seinem Alltag als Ehemann und dreifachen Familienvater alles daran hindert, diese Sucht auszuleben.
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