16 | 11 | 2016 | Praxis | 0 | 6441 |
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Tiger fressen keine Mäuse
Grosse Forellen, kapitale Saiblinge, starke Lachse und grosse Hechte, diese Fische nehmen gerne grosse Fliegen, denn grosse Fische brauchen grosse Happen! Ist das wirklich so?
«Tiger fressen keine Mäuse.» Ein schöner Satz, ich mag ihn. Es ist ein Satz, der einfach passt, den man einfach denken muss, wenn man einen grossen Streamer ans Vorfach bindet. Man ist auf der Jagd. Die Forelle ist der Tiger, gut getarnt, auf Beute lauernd.
«Tiger fressen keine Mäuse». Wie oft habe ich diesen Satz gesagt, wenn ich in die Box mit den grossen Fliegen gegriffen habe, weil ich mit meinem Latein am Ende war.
«Tiger fressen keine Mäuse.» Dieser Satz klingt einfach gut, ist aber leider falsch. Tiger fressen Mäuse! Allerdings nicht als Hauptspeise, denn ein Tiger bräuchte wohl zwei Eimer voll Mäuse, um einigermassen satt zu werden. Die Maus ist eher der kleine Snack zwischendurch; unvorsichtige Maus, Pranke drauf. Viele grosse Fische sind da nicht viel anders.
Szenenwechsel
In Kanada am Nunavik-Fluss, ich stehe an einem grossen Pool, in dem sich Fisch an Fisch drängt. Arktische Wandersaiblinge, und was für welche! Vier bis fünf Kilo, Wahnsinn! Nervös binde ich einen schwarzen Wolly Bugger, Grösse sechs mit einem schweren Tungstenkopf an das 0,28er Vorfach.. Mein Guide meinte zwar, dass Nymphen besser seien. Aber was soll dieser Kleinkram, wäre doch gelacht, wenn nicht spätestens beim dritten Wurf mit dem Wolly Bugger die Post abgeht…
Nach einer halben Stunde ohne Biss gestand ich mir meine Niederlage ein. Ziemlich ernüchtert knotete ich, wie es mir der Guide empfohlen hatte, eine 12er Caddis-Pupa Goldkopf-Nymphe an. Insgeheim fragte ich mich ernsthaft, ob es Sinn macht, mit so einer kleinen Imitation einer Köcherfliegenpuppe auf grosse Saiblinge zu fischen, die gerade frisch aus dem Meer in den Fluss aufgestiegen waren.
Viel Zeit zum Überlegen blieb mir nicht. Zwei Würfe, um genau zu sein. Der Biss kam beim dritten Wurf. Nach kurzem, aber heftigen Drill hatte ich ihn, meinen ersten kanadischen Wandersaibling von 5,2 Kilo! Mit zitternden Fingern löste ich die 12er Nymphe. «Kleine Fliegen fangen erstaunlich grosse Fische, was?», hörte ich den Guide hinter mir sagen. Ich nickte. Immerhin hatte ich Recht, was den dritten Wurf anging.
Noch ein Wort zur Goldkopf-Nymphe. Ein Freund von mir fing in einem norddeutschen Fluss tagsüber beim Äschen-Fischen mit der Goldkopfnymphe in einem Jahr drei Meerforellen. Beifang oder Zufall? Über diese Frage sollte man als Meerforellenfischer wirklich ernsthaft nachdenken, denn auch in Südamerika werden die Meerforellen tagsüber mit erstaunlich kleinen Nymphen gefangen. Erst wenn es dunkel wird, werden die grossen, schwarzen Tubenfliegen eingesetzt.
Na warte, dich erwisch ich!
Ortswechsel: Island, am Fluss Laxa in Adaldalur, besser bekannt als «Big Laxa». Der Name ist Programm: Grosser Fluss, grosse Lachse. Und ich natürlich wieder mit grosser Fliege. Am Ende des 0,38er Vorfachs hängt eine stattliche Sunray Shadow, 15 Zentimeter lang. Eine fantastische Fliege.
Die Sunray Shadow wird an einer Schwimmschnur an der Oberfläche gefischt und dabei eingestrippt. Eine Anbietetechnik, die ihreWirkung meist nicht verfehlt. Selbst lethargischen Lachsen kocht plötzlich das Blut, wenn so ein Störenfried durch ihren Pool rauscht. «Na Warte, dich erwisch ich!» Blind vor Wut packt der Lachs die dargebotene Fliege. Doch das passiert leider nicht immer so, manchmal begnügt sich der Lachs damit, den Eindringling nur kurz zu zwicken oder hinterher zu jagen ohne ihn zu packen. Falls Sie also einen Schwall dicht hinter Ihrer Sunray Shadow sehen, wissen Sie, dass genau das gerade passiert ist. Behalten Sie jetzt die Nerven – und wechseln Sie die Fliege!
Ich habe es am Big Laxa getan und eine 14er Drillingsfliege montiert. Dann ging ich vorsichtig drei Meter stromauf und fischte mit dem Winzling den gleichen Bereich ab, den ich zuvor mit der Sunray Shadow durchpflügt hatte. Und tatsächlich: ein Lachs von 94 Zentimetern resultierte!
Schöne Hechte auf kleinste Streamer
94 Zentimeter, so lang war übrigens auch mein letzter Hecht, den ich mit der Fliegenrute gefangen habe. Auch hier war eine Fliege im Spiel, die für einen schönen Hecht eigentlich viel zu klein ist.
Es war ein herrlicher Herbstmorgen, Nebel lag auf dem Wasser, die Sonne brach durch, und das Beste: An der Schilfkante raubten die Hechte. Weniger schön: Sie interessierten sich nicht die Spur für meine Streamer. Mit steigender Verunsicherung fischte ich mich durch die Farbpalette meiner Streamerbox. Rein gar nichts passierte. Selbst meinen Pike Bunny in Chartreuse/Orange, sonst eine echte Killer-Kombi, ignorierten die Hechte.
Irgendwann dämmerte mir, was die Hechte jagten: Die aus dem Wasser spritzenden Jungfische waren schliesslich nicht zu übersehen. Also Bunny ab und einen kleinen, hellen Streamer dran. Etwas verloren sah er aus, der kleinfingerlange Streamer. Im Wasser jedoch lief der Kleine dann zu Höchstform auf. Drei Hechte in 30 Minuten: 63, 68 und eben 94 Zentimeter. Von wegen: «Tiger fressen keine Mäuse.»
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