08 | 12 | 2023 | Schweiz | Diverses | 2 | 3503 |
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Unsere Standpunkte | Teil 2
Im zweiten Teil über die «Petri-Heil»-Standpunkte geht unser Chefredaktor Nils Anderson auf Schongebiete, Nährstoffe, Catch & Release und weitere Themen ein.
«Petri-Heil»: Soeben hat das BAFU ein Dossier über Besatz herausgegeben und fordert darin aufgrund zahlreicher Studien erneut eine Abkehr vom Besatz. Es scheint also offenbar nicht zu funktionieren mit dem Besatz.
Nils Anderson: Das Dossier fasst verschiedene Studien zusammen und auf den ersten Blick scheint es tatsächlich gar nicht gut auszusehen. So konnten sie zeigen, dass bei funktionierender Naturverlaichung Besatz sogar kontraproduktiv ist und auch ein Verdrängungsproblem auftreten kann, wenn effektiv zu wenig Futter oder geeignete Standorte vorhanden sind. Eigentlich nichts Neues. Gleichzeitig wurde aber die wichtigste Kontrollgruppe, nämlich die Wildfische, aussen vorgelassen. Wir haben in den letzten 40 Jahren 75% der Forellenbestände verloren, und diese Rückgänge sind nicht nur dort passiert, wo Besatz gemacht wurde. Was mich viel mehr stört, ist der Umstand, dass die Ergebnisse durchaus vielfältig sind, die Zusammenfassung hingegen eine Verallgemeinerung ist, die im Rat gipfelt, den Besatz ganz generell einzustellen. Es zeigt, dass das BAFU die Fischerei nur als limitierenden Faktor für die Wildtierpopulationen begreift. So schreibt das BAFU: «Im besten Fall steigen die Fänge der Fischer. Um die Fischvielfalt in unseren Gewässern zu erhalten, wird empfohlen, diese Praxis baldmöglichst einzustellen und die Wiederherstellung der Lebensräume zu fördern.» Die positiven Aspekte der Fischerei wie mehr Mittel für Aufwertungen und mehr Engagement für die Interessen der Fische werden nicht gewichtet. Und dass mit Besatzmassnahmen an beeinträchtigten Gewässern – und beim Besatz soll es ja nur um diese gehen! – indirekt eben die Wildtiere in den gesunden Gewässern entlastet werden können, fehlt ebenfalls. Wenn gezeigt würde, dass nach dem Stopp von Besatzmassnahmen der Fischbestand grundsätzlich steigt, dann wäre das ein glasklares Argument gegen Besatz. Und dann wäre auch alles gut, denn niemand hat etwas gegen einen steigenden Fischbestand.
Aber leider ist nicht alles gut, oder?
Ja, ein grosses Problem ist das Klima und damit verbunden das Wetter, welches einfach verrückt spielt. Vor ein paar Tagen waren alle Flüsse und Bäche quer durch die Schweiz reissende braune Ströme. Solche Ereignisse sind im Laichplan der Forellen nicht vorgesehen. Mich nimmt es wunder, wie die gerade eben kartierten Laichgruben jetzt aussehen.
Als Argument gegen Besatz werden vor allem zwei Punkte hervorgehoben: Die Verdrängung und der Umstand, dass sich die Besatzfische kaum halten können.
Vor ein paar Jahren hat es interessante Resultate aus dem Kanton Aargau gegeben. Dort hat man herausgefunden, dass quasi in jedem Bach eine eigene genetisch unterscheidbare Population lebt, und dies, obwohl während 50 Jahren kreuz und quer besetzt wurde. Offenbar mischen sich diese Stämme also nicht! Jetzt kann demnach nur noch das Problem sein, dass sich die Forellen konkurrenzieren. Und dieses Problem trifft, wenn überhaupt, dann dort auf, wo es einen guten Bestand hat. Das sind dann oftmals die kleinen, naturnahen Gewässer, und dort soll ja auch nicht besetzt werden.
Aber in Flüssen wie Linth, Limmat, Aare, Rhein und so weiter, wo der Forellenfang mittlerweile noch ein bis zwei Prozent von den einstigen Fängen ausmacht, muss mir niemand erzählen, dass die Konkurrenz das Hauptproblem sein könnte.
Und zum zweiten Punkt: Wenn die eingesetzten Forellen sich nicht halten können, dann macht sie das ja nicht etwa gefährlich, sondern eben ungefährlicher! Dann soll man doch an den beeinträchtigten Gewässern, in welchen die Wildfische nur noch ein Bruchteil ihrer einstigen Population darstellen, einen Attraktionsbesatz machen und die Wildfische gleich ganz schonen. Das bringt doch mehr, als gar nicht zu bewirtschaften!
Aber dann wird da noch die mögliche Gefahr mit der Doppelbenutzung von Laichplätzen ins Feld geführt.
Ja, das ist dann aber weiss Gott das kleinste Problem, welches die Forellen haben. Und sonst muss man eben weitere Laichplätze schaffen. Aber ja, die «möglichen Gefahren» werden, wo es gerade passt, sowieso immer gerne ins Feld geführt.
Zu etwas anderem: Die Nährstoffe in den Seen …
Unser Mitarbeiter Erich Staub hat dazu eigentlich alles Wesentliche gesagt. Bei der Nährstofffrage in den Seen ist das offizielle Ideal der Naturzustand von vor 5000 Jahren. Dieses Ideal wurde nicht verhandelt und gilt jetzt einfach. Und das wäre durchaus interessant, wenn die Seen den dafür nötigen Raum hätten mit überschwemmten Feldern nach der Schneeschmelze, Bäumen, die auch mal im Wasser liegen bleiben dürfen und so weiter. Aber das haben sie ja nicht und so geht es eben nicht auf. Bei einer gesunden Biomasse dürften es invasive Arten grundsätzlich schwieriger haben als bei einem «hungernden» See. Und wenn dann die Biomasse so ausgedünnt ist wie am Bodensee, kann sich eben ein Stichling so explosionsartig ausbreiten. Darum hat im Moment der nährstoffarme Bodensee viel die grösseren Probleme als der noch immer überdüngte Zugersee. Klar, niemand will überdüngte Seen. Aber ein Netto-Null bei der Phosphat-Zufuhr ist wirklich nicht der richtige Ansatz bei einem rundum bebauten und komplett regulierten Gewässer.
Wir wollen noch ein paar weitere Themen anschauen, beispielsweise Catch & Release. Wie sieht da die Position aus?
Catch & Release ist bei vielen Fischerstreitpunkten so was wie der grosse Elefant im Raum, über den offiziell nicht gesprochen wird. Gerade bei den Forellen und Äschen, aber auch bei der LiveSonar-Diskussion. Man kann sich über den Sinn und Unsinn von Catch & Release streiten. Ich gehe auch mit dem Ziel ans Wasser, einen Fisch mit nach Hause zu nehmen. Dass ein respektvoller Releaser moralisch schlechter wegkommt als ein Fleischfischer, der Fisch einfach als günstige Ressource begreift, verstehe ich wirklich nicht. Das Catch & Release-Verbot verkennt auch die Zeichen der Zeit. Für Fischer der jüngeren Generation ist es selbstverständlich, dass man nicht alles niederknüppelt. Man geht ans Wasser, weil man Fische fangen will. Das man sie essen will, kommt, wenn überhaupt, dann nachher.
Aber mit dem «Zurücksetzen aus ökologischen Gründen» ist glücklicherweise ein brauchbarer Kompromiss da. Zwar bleibt immer ein kleiner Rest an ethischem Unbehagen, aber der ist auch gegeben, wenn ich eine Scheibe Speck in die Pfanne haue.
Du wolltest auch noch auf das SaNa-Obligatorium zu sprechen kommen.
So wie die Regelung jetzt ist, finde ich es gut. Ich bin aber dagegen, den Umfang weiter zu erhöhen und gleichzeitig überall ein Obligatorium durchzusetzen. Der Einstieg in die Fischerei soll so einfach wie möglich bleiben. Und zudem muss man nicht so tun, als sei Fischen ohne SaNa automatisch Tierquälerei.
Aber der Tierschutz und damit verbunden das korrekte Töten ist doch wichtig!
Es ist absolut zentral, dass der Fisch schnellstmöglich getötet wird! Das ist man jedem Fisch, den man entnimmt, schuldig. Ich mache daher den Kiemenschnitt aus tiefer Überzeugung. Aber den Umstand, dass beim Berufsfischer und damit bei mehr als 3/4 aller in der Schweiz gefangenen Fische der Kiemenschnitt eben nicht vorgeschrieben ist, finde ich schon bemerkenswert. Und ich bin mir auch bewusst, dass auf einen nach Schweizer Vorschrift korrekt getöteten Fisch weltweit x Millionen Fische gefangen werden, die im besten Fall einen Schlag auf den Kopf kriegen. Wir sind in der Schweiz im fairen Umgang mit geangeltem Fisch weltweit führend, und das ist auch absolut richtig so.
Im Moment sind strengere Entnahmevorschriften und Ausweitungen der Schongebiete hoch im Kurs. Wie beurteilt «Petri-Heil» diese Entwicklung?
Am Sihlsee gibt es seit Anfang Jahr neue Schongebietsregelungen, die sehr zielführend erscheinen. Da darf zu Beginn der Saison, wenn Egli, Zander und Hecht noch im Laichgeschäft sind, in weiten Teilen des Sees nicht gefischt werden. Wenn solche Einschränkungen am Schluss zu mehr fangbaren Fischen führen, ist das Ziel erreicht.
Auch ein klarer Fall scheint die Reduktion der Fangzahlen pro Saison und, wenn es sein muss, auch per Tag zu sein. Das führt grundsätzlich zu einer gerechteren Verteilung der Fänge.
Bei den Fangfenstern und höheren Mindestmassen sollte einfach darauf geachtet werden, dass Bewirtschaftungsmassnahmen trotzdem erhalten bleiben. Sonst macht man es sich gar einfach und schiebt den Schwarzen Peter einfach den Fischern zu. Strengere Vorschriften allein lösen die Ursachen eines Rückgangs im Normalfall nicht.
Soll denn die Fischerei grundsätzlich vermehrt reguliert werden?
Ich glaube, es geht zwangsweise in diese Richtung. Mindestmasse dürften in Zukunft steigen und nicht sinken. Etwas aus der Zeit gefallen ist der Umstand, dass viele Fischarten wie beispielsweise die Trüsche keine Schonzeit haben. Grundsätzlich hat jede Fischart eine Schonzeit verdient. Fragezeichen habe ich auch bei der Tatsache, dass es keine Fangzahlbeschränkung für Felchen auf dem Zugersee gibt. Das mag vielleicht rein vom Einfluss der Hobbyfischer auf die Felchenbestände vertretbar sein; psychologisch ist es aber schlicht falsch.
Eine sinnvolle Massnahme ist das Fischereiverbot in Forellengewässern bei zu hoher Wassertemperatur. Ab 20 Grad sollte fertig sein, so wie das bereits bei der FIPAL gehandhabt wird.
Alles, was dem Fischbestand nützt, findet bei den Fischern Verständnis. Was aber nicht sein darf, ist Bewirtschaftungsmassnahmen durch härtere Regulierungen zu ersetzen. Es ist okay, dass unsere Patente etwas kosten. Aber dieses Geld soll dann auch wieder in die Fischerei einfliessen und den Beständen zugutekommen.
Und zum Abschluss noch die Frage: Was sind die Wünsche für die Schweizer Fischerei?
Ich wünsche mir einen viel stärkeren Einbezug der sozialen und wirtschaftlichen Faktoren der Hobbyfischerei auf die Bewirtschaftungsentscheide und die Betrachtung der Fischerei überhaupt. Dänemark beispielsweise hat gut verstanden, welches Potenzial da vorhanden ist. Auch in Deutschland legen immer mehr Studien den Fokus darauf und vergleichen beispielsweise den wirtschaftlichen Benefit der Berufsfischerei mit demjenigen der Angelfischerei. Da ist der Unterschied pro Kilo Fisch immens! In den USA gibt es Filme und Kampagnen, die auf die gesundheitlichen Vorzüge des Fliegenfischens hinweisen. Fischen tut nun mal gut! Und es ist die beste Art, die Ressource Gewässer zu nutzen; man bringt die Leute dazu, Arbeiten für die Gewässer zu verrichten und die wirtschaftliche Wertschöpfung ist um ein Vielfaches grösser als beim Gummiböötlen oder Vögelbeobachten. Wir werden diese Standpunkte immer wieder einbringen und ich bin da vorsichtig optimistisch, dass etwas Bewegung in die Sache kommt. Schliesslich sind es die Wagemutigen, die etwas verändern und nicht die Bedenkenträger.
2 Kommentare
Martin | 23 | 04 | 2024 |
Ich bin grundsätzlich gegen eine Überregulierung. Was ich aber begrüssen würde, wäre eine Dezimierung der Kormoranbestände in der Schweiz. Dieser Vogel ist eine Meeresvogel und hat nichts bei uns verloren. Im Bodensee fressen die Kormorane so viele Fische, wie die Berufsfischer mit den Netzen rausholen. Auch eine Erhöhung der Schonmasse fände ich nicht so übel. So könnten die Fische mehrmals laichen, bevor sie entnommen werden dürfen. Das würde zu mehr Laichtieren und somit mehr Nachwuchs sorgen.
Lukas B
Ich bin mit einigen Standpunkten einverstanden. Insbesondere finde ich es wichtig, den grossen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einfluss der Freizeit-Fischerei gerade im Vergleich zu der Berufsfischerei hervorzuheben.
Während in der Gesetzgebung die Berufsfischerei klar vor uns Hobby-Fischern kommt, lässt sich das eigentlich wirtschaftlich und gesellschaftlich längst nicht mehr rechtfertigen. Das mag vor 100 Jahren noch anders ausgesehen haben, aber heute sollte man den veränderten Umständen Rechnung tragen.
Der Bericht des BAFU kommt aber in meinen Augen hier etwas zu schlecht weg.
Als Fischer und Pächter kann ich es eigentlich nur begrüssen, dass hier klare Empfehlungen gegen Besatz gemacht werden, wenn sich kein positiver Effekt nachweisen lässt.
Über Jahrzehnte hat man nach dem Motto: “Nützt’s nüt so schad’s nüt!” für enorme Summen Millionen an Fischen in unsere Fliessgewässer gekippt, ohne zu prüfen, ob das tatsächlich etwas bringt. Aber die Bestände gingen weiter zurück - das ist traurige Realität.
Jetzt sollte man sich überlegen, wie man diese Mittel so einsetzt, dass sie tatsächlich zum Wohl der Bestände beitragen. Renaturierungen gerne, aber wo und wie? Und wie können die Fischereibehörden mehr dazu beitragen und die Abläufe beschleunigen?
Es ist leider hochkomplex und einfache Lösungen funktionieren leider nicht!